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Buchkritik -- Donna Leon -- Feuerprobe

Umschlagfoto, Buchkritik, Donna Leon, Feuerprobe, InKulturA In einer lauen Frühlingsnacht vertreiben sich zwei Jugendbanden auf einem Platz in Venedig ihre Langeweile und beginnen eine robuste Auseinandersetzung und werden allesamt verhaftet. Commissario Claudia Griffoni, die in dieser Nacht im Dienst ist, zeigt Empathie und bringt den letzten der Jungen nach Hause, weil sein Vater, Dario Monforte, ihn nicht von der Questura abgeholt hat. Das soll ihr später von einem Winkeladvokaten unter einer sexuellen Konnotation zum Vorwurf gemacht werden.

Wie es der Zufall so will, wird Guido Brunetti von Vice-Questore Patta gebeten, einer wohlhabenden Freundin Monfortes Eignung für einen Umbauauftrag zu überprüfen, was Brunetti an dessen heroische Tat vor zwanzig Jahren erinnert, als dieser nach einem verheerenden Attentat auf den italienischen Militärstützpunkt im Irak als Held gefeiert wurde. Seltsamerweise hat Monforte diesbezüglich jedoch nie eine offizielle Anerkennung erhalten.

Diese Merkwürdigkeit und der brutale Angriff auf Brunettis Kollegen, Enzo Bocchese, wecken die Neugier des Commissarios. Entgegen seines sonstigen Verhaltens unterstützt Vice-Questore Patta vehement die Ermittlungen und mit den wieder einmal außergewöhnlichen Recherchefähigkeiten von Signorina Elettra decken Brunetti und Griffoni gemeinsam nach und nach die komplexe Wahrheit hinter Monfortes Vergangenheit auf; sprich, der Fall wird politisch.

Ein letztes hitziges, von den sozialen Medien angefachtes Aufeinandertreffen der beiden Jugendbanden droht aus dem Ruder zu laufen und Monforte, der seinem Sohn gefolgt ist, trifft eine fatale Entscheidung.

„Feuerprobe“ zeigt Donna Leon in Bestform: Auch wenn der Schluss des Romans etwas überhastet geschrieben wirkt und nicht alle losen Fäden verknüpft werden, erweist sie sich erneut als elegante und kultivierte Geschichtenerzählerin und erschafft auch mit dem nunmehr 33. Band dieser Serie komplexe Charaktere, die mit jedem Buch an Tiefe gewinnen und die ständig die schmalen Grenzen zwischen moralischer und juristischer Gerechtigkeit ausloten.

Wie immer bei dieser Autorin – und das ist keineswegs abwertend gemeint, im Gegenteil – wird man am Ende darüber nachdenken müssen, ob es sich bei ihren Kriminalromanen nicht eher um soziologische Abhandlungen mit eingestreuter Polizeiarbeit handelt. Gerade das macht den Reiz ihrer Bücher aus.




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Veröffentlicht am 1. Juni 2024