Buchkritik -- Christian Mähr -- Carbon

Umschlagfoto, Buchkritik, Christian Mähr, Carbon, InKulturA Es fängt böse an und wird noch schlimmer. Der neue Klient des Privatdetektivs Oskar Klein sägt sich beim Versuch ein in seinem Garten wucherndes Gewächs zu entfernen selber den Hals durch. Nicht nur bei ihm, sondern überall schießen Schachtelhalme und Riesenfarne aus dem Boden. Flora und Fauna des Karbon, eine erdgeschichtliche Periode, die vor über 300 Millionen Jahren endete, kehren zurück und sorgen in der Gesellschaft für enorme Verwerfungen.

Alle Versuche die Ausbreitung der urzeitlichen Vegetation und den ihn ihr lebenden Tieren, die, wie die Pflanzen über eine enorme Größe verfügen, den Garaus zu machen scheitern, zumal sich die Riesenfarne rätselhafter, auch auf das Verhalten der Menschen einwirkender Pheromone bedienen, um sich zu schützen. Es dauert nicht lange und das gewohnte gesellschaftliche Miteinander, zivilisiertes Verhalten und Normen erweisen sich als dünner Firnis, der anscheinend nur darauf gewartet hat, sich durch externe Einwirkungen als Trugbild zu erweisen.

Ein Zeitalter, wahrscheinlich das der Menschen ist vorbei. Ein neues Äon bricht an und Raum und Zeit haben ihre ursprüngliche Bedeutung verloren, sind obsolet geworden, weil sich die Rahmenbedingungen unwiderruflich geändert haben.

Dystopie mit komischen, weil menschlich, all zu menschlichen Attitüden? Surrealistisches Endzeitdrama? Kakophonischer Schwanengesang angesichts des nicht zu Verhindernden? Christian Mährs Roman ist von allem etwas, hauptsächlich jedoch ein modernes Märchen über die Ohnmacht der Menschen bezüglich der scheinbar von ihnen beherrschten Natur, die sich auf einmal gegen sie wendet und den Spieß – Genesis 1.28 – einfach umdreht und sich die Menschen untertan macht, sie in mehr oder weniger hilflose Wesen transformiert, die, bis auf wenige Ausnahmen, gar nicht begreifen können oder wollen, dass ihre Zeit, ihr zerstörerischer Einfluss und ihr Raubbau am Planeten sich dem Ende zuneigt.

Ein Grund zur Panik? Mitnichten, denn so lässt der Schluss des Romans vermuten, verläuft Geschichte nicht linear, sondern – „Ich erschaffe einen neuen Äon.“ – zyklisch. Es gilt also nicht das Verdikt Nietzsches „War das – das Leben?“ will ich zum Tode sprechen. „Wohlan! Noch einmal!“, sondern die Erkenntnis und das Wissen darum, es diesmal anders, besser machen zu müssen.




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Veröffentlicht am 3. März 2020