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Buchkritik -- Harlan Coben -- In tiefster Nacht

Umschlagfoto, Buchkritik, Harlan Coben, In tiefster Nacht, InKulturA In seinem Thriller „In tiefster Nacht‟ entfaltet Harlan Coben einmal mehr sein Talent für packende Spannung, komplexe Figuren und düstere Geheimnisse. Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen: Im Jahr 2000 hält sich der damalige Student Sami Kierce in Spanien eines Verbrechens für schuldig, dessen Ablauf er sich nicht erklären kann. Zwei Jahrzehnte später lebt Kierce, inzwischen verheiratet und Vater eines kleinen Jungen, ein neues Leben als Privatermittler und Dozent in New York, bis seine Vergangenheit ihn in Gestalt einer Frau wieder einholt, die er für tot hielt.

Das Ereignis in Spanien hat ihn aus der Bahn geworfen. Das geplante Medizinstudium hat er geschmissen und sein übermäßiger Alkoholgenuss wurde ihm fast zum Verhängnis. Anstelle des Studiums begann er eine Laufbahn als Kriminalpolizist, die jedoch nicht von Dauer war, da seine Handlungen zu oft impulsiv und nicht regelkonform waren. Als seine damalige Verlobte von einem Verbrecher getötet wurde, der jetzt wegen Samis Formfehler aus dem Gefängnis entlassen,und der Fall neu aufgerollt wird, schlägt die Stunde seiner Schüler, denn er, in prekären Verhältnissen lebend, hält Abends einen Kurs in Kriminalistik.

Auch für die Suche nach der mysteriösen Frau, die eines Tages in seinem Kurs aufgetaucht ist und seine Vergangenheit wieder aufleben lässt, wird die Gruppe von ihm eingespannt. True Crime zum Anfassen.

Coben konstruiert seine Geschichte mit gewohnter Raffinesse. Die Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart schaffen eine dichte Dramaturgie, die den Leser unweigerlich in die Abgründe menschlicher Schuld, Erinnerung und Wahrheit zieht. Besonders stark ist die Zeichnung des Protagonisten: Sami Kierce ist kein unfehlbarer Held, sondern ein Mann mit Widersprüchen, Zweifeln und einem tiefen moralischen Konflikt.

Thematisch bewegt sich „In tiefster Nacht‟ an der Schnittstelle zwischen psychologischem Thriller, Kriminalroman und Familiendrama. Die Frage, wie sehr wir unserer Erinnerung trauen können, steht ebenso im Mittelpunkt wie die Macht der Vergangenheit, unser Leben zu formen. Coben integriert zudem gesellschaftliche Untertöne, etwa Klassenunterschiede, familiäre Machtstrukturen und Fragen der Gerechtigkeit.

Stilistisch bleibt Coben seinem klaren, schnörkellosen Ton treu, der dem Genre angemessen ist, ohne in Banalität zu verfallen. Die Spannung wird durch eine Reihe intelligenter Twists hochgehalten, wenngleich sich im Mittelteil leichte Längen einschleichen. Einzelne Zufälle im Plot wirken konstruiert, was jedoch durch das mitreißende Finale kompensiert wird.

„In tiefster Nacht‟ ist ein vielschichtiger Thriller, der nicht nur unterhält, sondern auch Fragen aufwirft, die über das letzte Kapitel hinaus wirken. Harlan Coben beweist einmal mehr, dass er zu den besten Erzählern moderner Spannungsliteratur zählt.




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Veröffentlicht am 16. Juni 2025