Buchkritik -- Reinhard Schlüter -- Das Schaf im Wortpelz

Umschlagfoto  -- Reinhard Schlüter  --  Das Schaf im Wortpelz "Wer die Sprache beherrscht, beherrscht die Menschen". Diese Aussage ist so banal wie zutreffend. Da Kommunikation letztendlich immer, im Gegensatz zu Habermas, Herrschaft sichern soll, ist derjenige, dem es gelingt, mit Hilfe seiner Sprache seine Interessen zu maskieren um sie durchzusetzen, auf dem Weg der Manipulation ein gutes Stück vorangekommen.

Reinhard Schlüter demaskiert in seinem Buch Das Schaf im Wortpelz zahlreiche dieser Sprachmanipulationen. Sein Lexikon der hinterhältigen Beschönigungen zeigt Euphemismen, die bereits tief in das Bewusstsein und damit auch in die allgemeine Sprachverhunzung eingedrungen sind.

Ob es sich um Ärztelatein, Lebensmittelsprache, Urlausprospektcode, oder die versteckten Aussagen des Wohnungsmarktes handelt, allen gemeinsam ist das Ziel altbekanntes unter einem neuen Namen zu verkaufen oder negatives mit kreativen Wortschöpfungen aufzuwerten. Das wird aus einem Haus mit Liebhaberobjektcharakter schon einmal eine renovierungstechnische Lebensaufgabe und aus der ruhigen Lage ein abseits aller öffentlichen Verkehrsanbindung liegendes Anwesen.

Obwohl der Autor nur einen kleinen Bogen der alltäglichen Schönfärbungen beschreiben kann, hat der Leser doch des öfteren ein Gefühl kalter Wut im Bauch. Dies gilt wohl in besonderem Maß den Lügen der Lebensmittelindustrie. Aus Zucker werden dort Kohlehydrate und ein geschmacksneutrales Geschmackserlebnis durch Geschmacksverstärker linguistisch auf- und geschmacklich abgewertet. Der Verbraucher wird es schon nicht bemerken.

Überhaupt, der Verbraucher, diese von allen verkaufswilligen und gewinnsüchtigen Anbietern umworbene Spezies, ihm kommt die Schlüsselrolle in diesem Kapitalverwandlungsspiel zu. Er allein entscheidet über die Höhe der Ausschüttungen an die Aktionäre oder über die Automarke und die Anzahl der Villen von Schönheitschirurgen. Allein er hat es noch nicht verstanden, seine Macht gezielt einzusetzen.

Lieber, weil bequemer, fällt er auf die vollmundigen Versprechungen der Werbung und der Politik herein. Eltern kaufen lieber im Supermarkt Kindernahrungsmittel, die nachweislich mehr Fett und Zucker als "normale" Lebensmittel enthalten, anstatt die häuslichen Kochgelegenheiten zu nutzen. Junge Frauen lassen sich lieber "feinstmodellierend" Fett absaugen, anstatt regelmäßig Sport zu treiben und nicht mehr ganz so junge Exemplare die Gesichtsmuskeln mit Nervengift "inaktivieren".

Reinhard Schlüter hat ein Glossar aufgestellt, von dem wir uns alle nur allzuoft einlullen lassen. Niemand ist immun gegen alle Sprachmissbräuche und gefährliche Euphemismen. Leider nimmt die Resistenz diesen Dingen gegenüber ab und so war es höchste Zeit, dass sich ein Autor dieser Problematik angenommen hat. Als Lektüre über kreative Sprachmanipulationen von Werbeagenturen bei gleichzeitigem Versagen des kritischen Verbrauchers ist es allen Komsumierenden nur zu empfehlen.




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