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Buchkritik -- Ben Macintyre -- Der Spion und der Verräter

Umschlagfoto, Buchkritik, Ben Macintyre, Der Spion und der Verräter, InKulturA Für die einen ist es ein Spion, für die anderen ein Verräter. Die Bezeichnung ist abhängig davon, welcher Seite der Betrachter angehört. Für die, die den Schaden haben, ist es ein Verräter. Die Seite, die von den gelieferten Informationen Gewinn zieht, nennt ihn einen Spion.

Wer sich auch nur ein wenig mit der Arbeit von Geheimdiensten, ihren Manipulationen, Lügen, Verstellungen und Verbrechen auskennt, weiß darum, dass Geschichten von Überläufern selten gut enden. Eine davon ist die schillernde Figur von Oleg Gordijewski, ein KGB-Offizier, der sie Seiten gewechselt hat und den westliche Geheimdiensten, hauptsächlich jedoch dem MI6 über Jahre wertvolle Informationen über das Innenleben des KGB geliefert hat.

Gordijewski wuchs in einer Familie von KGB-Offizieren auf, besuchte die besten Schulen, die die Sowjetunion zu bieten hatte, war ein begabter Sportler, hatte einen scharfen und neugierigen Verstand und hatte eine Karriere im sowjetischen Geheimdienstapparat vor sich, die ein Leben in Prestige und Privilegien versprach. Das Problem war, dass Gordijewski auch ein Idealist war und zudem westliche klassische Musik und Kunst sowie westliche Literatur und westliches politisches Denken liebte.

Vor allem der Einmarsch in Ungarn, dann der Bau der Berliner Mauer, den Gordijewski miterlebte, und schließlich die brutale Niederschlagung des Prager Frühlings in der Tschechoslowakei trieb den KGB-Offizier immer weiter von der kommunistischen Ideologie und damit von der Partei weg. Die Begegnung mit dem Westen in Kopenhagen und später in London vermittelte einen Eindruck von Freiheit aus erster Hand und trieb ihn in die offenen Arme seiner M16-Führungsagenten.

Sieht man davon ab, das Ben Macintyre die damalige Arbeit des MI6 – Geheimdiensttätigkeit insgesamt – etwas zu positiv darstellt, bleibt trotzdem ein Buch, das sich wie ein Spionageroman liest und Autoren wie John le Carré oder Frederick Forsyth in nichts nachsteht.

Der Autor beschreibt faszinierend und detailliert den MI6-Exfiltrationsplan für Gordijewski, der im Sommer von britischen Diplomaten und MI6-Offizieren durchgeführt wurde, die den Spion im Kofferraum eines Autos zur finnischen Grenze brachten. Seine zweite Frau und seine beiden kleinen Töchter konnte er allerdings nicht mitnehmen.

Aber, wie schon erwähnt, gehen Überläufergeschichten selten gut aus und so wurde seine Familie wegen seiner Taten von den Behörden schikaniert und mehrmals intensiven Prüfungen unterzogen. Erst sechs Jahre nach seiner Exfiltration gelang es, die Russen endlich dahinzubewegen einer Wiedervereinigung seiner Familie im Vereinigten Königreich zuzustimmen. Doch das einstige Familienglück war längst zerrüttet.

Spione haben es eben schwer.

Ben Macintyre erzählt Seite für Seite eine großartige und wahre Geschichte.




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Veröffentlicht am 7. April 2024