Buchkritik -- Karin Kneissl -- Die zersplitterte Welt

Umschlagfoto, Die zersplitterte Welt , InKulturA Ein fataler Hang des Menschen ist die Tatsache, dass er noch jedem erreichten Zustand den Nimbus des Ewigen, das "nicht mehr darüber hinaus gehen können" attestiert. Nach dem Zusammenbruch der Kommunismus wurde bereits vom "Ende der Geschichte" gesprochen und aktuell werden Politik und Medien nicht müde, die Globalisierung als allein seligmachendes Finale der Menschheit zu preisen. Wächst durch die weltweite Durchdringung von Wirtschaftsprozessen und die daraus sich ergebende Kapitalverflechtung die Welt zu einer Menschheit heran oder liegen in den aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrisen, die in immer schnellerer Folge ablaufen, aber auch dem Aufbegehren eines immer aggressiver sich gebenden Islam bereits die Grenzen dessen, was westliche Politik- und Staatstheorie erreichen kann?

Die Globalisierung, das letzte große Projekt der westlichen Welt ist ins Stocken geraten und nicht nur notorische Pessimisten erkennen am Horizont der Geschichte bereits deutliche Anzeichen dafür, dass die Tage der politischen und wirtschaftlichen Hegemonie des Westen gezählt sind. Karin Kneissl untersucht in ihrem Buch "Die zersplitterte Welt" die Verwerfungen, die im Zuge des Legitimitätsverlusts der westlicher Denkweise bereits jetzt vonstatten gehen und das die tradierten Politikmuster sukzessive an Gültigkeit, vor allem aber an Strahlkraft verlieren.

Der Führungsanspruch des Westens, der im Kern immer nur in der Vormachtstellung des anglo-amerikanischer Finanzkapitalismus bestand, wird in Frage gestellt und damit auch das politische Modell westliche Demokratie. Während Politiker immer noch vollmundig von "einer Welt" sprechen, die selbstverständlich, quasi per Naturgesetz nach den bisherigen Regeln gestaltet wird, müssen sie ungläubig zur Kenntnis nehmen, dass sich eben diese eine Welt zunehmend als Fiktion erweist und anstelle dessen starke separatistische Kräfte am Werk sind. So ist z. B. die Europäische Union nicht nur in wahrhafter Sisyphusarbeit damit beschäftigt, pausenlos den Staatsbankrott einiger Mitgliedsländer abzuwenden, sondern muss sich ebenfalls mit den Autonomieforderungen regionaler Interessengruppen auseinandersetzen.

Das Pendel der Geschichte schlägt, das sieht Karin Kneissl vollkommen richtig, wieder zurück in Richtung Nationalstaaten. Die BRICS-Staaten, Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika melden ihre jeweiligen globalen Machtansprüche gegenüber den USA an. Gleichzeitig bedeutet die Zunahme ethnisch motivierter Auseinandersetzungen das wohl endgültige Scheitern der "Politik des weißen Mannes", initiiert nicht zuletzt durch einen an sich selbst zweifelnden Westen.

In solchen Zeiten des Transformation, der Krisen und des Wandels treten, die Autorin beschreibt es, religiöse Mächte auf den Plan und stiften durch einen atavistischen, im säkularen Westen längst überwunden geglaubten Fundamentalismus zusätzlich für Verunsicherung.

Die bevorstehen Veränderungen werden kaum friedlich verlaufen. Auch darin muss man Karin Kneissl leider Recht geben. Obwohl wir uns vom Glauben an den vermeintlichen Segen der Globalisierung verabschieden müssen und die Tendenz zurück zum Nationalen, teilweise sogar Ethnischen, auf alle Fälle aber zum Religiösen gehen wird, bleiben die Probleme wie bezahlbare Energie- und Wasserversorgung, Umweltverschmutzung und Arbeitslosigkeit global.

Wie die Nationen diesbezüglich reagieren, wird darüber entscheiden, ob nach dem Scheitern der Globalisierung auch die Zivilisation auf der Strecke bleiben wird. "Die zersplitterte Welt" von Karin Kneissl ist gut recherchiertes Buch und führt dem Leser eindringlich vor Augen, dass die Welt, so wie wir sie kennen, ein Auslaufmodell ist.




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