Diese Webseite benutzt keine Cookies!!!.
„Desolation Hill“ ist der vierte Band in Garry Dishers Paul-Hirschhausen-Reihe und sein bislang intensivstes Werk. Obwohl der Roman fest in die fortlaufende Serie eingebettet ist, überzeugt er als eigenständiges Buch durch eine meisterhaft dosierte Hintergrunddarbietung, die den Leser behutsam in die komplexe Welt des Protagonisten einführt, ohne ihn mit überflüssigen Details zu überfrachten.
Die Handlung spielt im bedrückenden Schatten der Covid-Pandemie – ein globales Ereignis, das Disher nicht als dominierendes Motiv missbraucht, sondern vielmehr als nüchternes und realistisches Element in seine Erzählung einbindet. Indem er die divergierenden Überzeugungen seiner Charaktere und die allgegenwärtigen gesellschaftlichen Spannungen geschickt miteinander verwebt, verleiht er dem Roman eine zeitgenössische Brisanz und zugleich einen distanzierten, sachlichen Ton. So wird das pandemische Setting zu einem subtilen Spiegelbild der Unsicherheiten und Widersprüche unserer Zeit.
Im Mittelpunkt steht Paul Hirsch, der nach einer verheerenden Korruptionsaffäre seines ehemaligen Teams, an der er zwar nicht direkt beteiligt war, dennoch ungewollt gebrandmarkt wird, einen einschneidenden persönlichen und beruflichen Rückschlag erleidet. Seine Degradierung und die anschließende Versetzung in eine unscheinbare Kleinstadt markieren den Wendepunkt in seinem Leben. Doch statt sich seinem Schicksal zu ergeben, zeigt Hirsch eine bewundernswerte Fürsorglichkeit. Mit unermüdlichem Einsatz unternimmt er monatliche Streifzüge durch die entlegenen Regionen und sucht abgelegene Wohnstätten auf, um die Einsamkeit der Bewohner zu lindern und ihr Wohlergehen zu beobachten. Während er in den meisten Gemeinden mit dankbarer Aufnahme begrüßt wird, begegnet ihm in einigen Gegenden misstrauische Ablehnung, was den facettenreichen Charakter seines neuen Daseins unterstreicht.
Tiverton, die Kleinstadt, in der sich ein Großteil der Handlung abspielt, ist ein prägnantes Beispiel für die sozialen und ökonomischen Krisen ländlicher Regionen. Wie viele abgelegene Ortschaften ist auch Tiverton der allumfassenden Drogenplage zum Opfer gefallen. Die hohe Arbeitslosigkeit hat die Jugend in einen Strudel aus Internetmobbing, Kleinkriminalität und der Verlockung durch politische Agitatoren getrieben. Ein scharfer Kontrast zu dem Leben der privilegierten Elite, die ausschließlich aus weißen Familien besteht. Diese privilegierte Schicht präsentiert sich mit modernsten SUVs, gelegentlich sogar mit Hubschraubern, und lebt in einer Welt, in der Reitpferde und teure Internate zum Alltag gehören. Diese soziale Dichotomie offenbart die brüchige Spaltung zwischen den vernachlässigten Massen und den Eliten, die ihren eigenen, abgeschotteten Lebensstil pflegen.
Typisch für Disher ist die kunstvolle Verflechtung mehrerer Handlungsstränge, die in „Desolation Hill“ in beeindruckender Weise zusammenfließen. Neben der Suche nach einem vermissten Mann, rückt auch die komplizierte Beziehung zwischen Hirsch und der engagierten Highschool-Lehrerin Wendy in den Vordergrund. Darüber hinaus beleuchtet der Autor eindrucksvoll die tief verwurzelten Spannungen und Vorurteile zwischen den Aborigines und den Weißen, die sich in einem unnachgiebigen Machtkampf äußern.
Parallel zu diesen Erzählsträngen gesellen sich Themen wie Drogenmissbrauch, Diebstähle und körperliche Auseinandersetzungen. All dies vor dem Hintergrund einer weitaus größeren, mysteriösen Verschwörung. Die unerwartete Intervention der Bundespolizei, die plötzlich in Tiverton auftaucht, zwingt Hirsch dazu, sich aus einer eskalierenden Krise zurückzuhalten; eine Maßnahme, die er keinesfalls akzeptieren will. Trotz der Vielzahl an parallelen Entwicklungen gelingt es Disher, alle Stränge harmonisch zu einem facettenreichen und authentischen Porträt von Hirschs Leben in einer Provinz zu verschmelzen, in der die lokalen Regeln und Bräuche oft das Sagen haben.
Garry Disher beweist erneut, warum er als Meister der literarischen Bildsprache gilt. Mit seiner präzisen, fast malerischen Sprache erweckt er seine Figuren zum Leben und verleiht jedem Kapitel eine eindrucksvolle Tiefe. Seine Werke sind stets eine gelungene Synthese aus scharfer Sozialkritik und fesselnder Kriminalliteratur und „Desolation Hill“ bildet da keine Ausnahme. Der Roman bietet nicht nur spannende Unterhaltung, sondern regt den Leser zugleich zum Nachdenken über die brisanten gesellschaftlichen Fragen unserer Zeit an.
Meine Bewertung:
Veröffentlicht am 18. März 2025