Buchkritik -- Thea Dorn / Richard Wagner -- Die deutsche Seele

Umschlagfoto  -- Thea Dorn / Richard Wagner  --  Die deutsche Seele Groß und gewichtig kommt sie daher, "Die deutsche Seele". Auf 560 Seiten, die fast 1,5 Kilogramm auf die Waage bringen haben sich Thea Dorn und Richard Wagner diesem seltsamen, mal dunklen, mal erhabenen, oft jedoch gescholtenen und gefürchteten Begriff genähert. Ist die Suche nach dem Nationalcharakter eines Volkes per se ein gefährliches Unterfangen, weil dadurch in der Regel tradierten Vorstellungen schnell in absolute Vorurteile gegossen werden, so ist der Versuch die Seele der Deutschen zu suchen, ein, nach den historischen Erfahrungen dieser Nation, ein mehr als gewagtes Vorhaben.

Diesem Autorenteam ist es jedoch gelungen, den Ursprüngen und manchmal auch den Abgründen deutscher Befindlichkeiten auf den Grund zu gehen. Die spitze Feder Dorns und das ruhige Abwägen Wagners ergeben zusammen eine gelungene Standortbestimmung darüber, woraus das geistige Erbe der deutschen Gegenwart besteht.

Nun ist jedoch jeder Versuch den Charakter eines Volkes auf wenige Stichpunkte - in diesem Buch vierundsechzig - zu reduzieren, bereits eine Selektion dessen, was, als subjektive Befindlichkeit der Autoren, diese Nation repräsentieren soll. Dass darin die große Gefahr besteht, in Klischees oder Vorurteile abzugleiten, ist evident. Diese Klippe haben Thea Dorn und Richard Wagner jedoch mit Bravour umschifft und so halten sie dann auch für den Leser nicht nur einen Spiegel zur Bestimmung der eigenen Position bereit, sondern sie zeigen ihm auch, wo die Wurzeln dessen liegen, was wir Heutigen oftmals ohne darüber nachzudenken als Selbstverständlichkeit bewerten.

Von "A" bis "Z", von "Abendrot" bis "Zerrissenheit" reicht die Palette der Stichwörter, mithilfe derer Dorn und Wagner sich auf die Suche nach der "deutschen Seele" begeben. Man kann berechtigterweise darüber diskutieren, warum z. B. dem "Kitsch" und dem "Querdenker" Platz eingeräumt worden ist, "Pünktlichkeit" und "Fleiß" - immerhin zwei deutsche Urtugenden - jedoch keine Erwähnung fanden, doch im Großen und Ganzen haben die Autoren sich bei der Auswahl ihrer Themen deutlich von den aktuellen politischen Bestrebungen zur Negation eines Nationalcharakters in Zeiten der Globalisierung abgegrenzt und anstelle dessen verschüttet geglaubte Traditionen wieder zutage fördern.

Wer die beiden Autoren bereits kennt, dem wird schnell deutlich, aus welcher Feder der jeweilige Artikel stammt. Thea Dorns luzide und ironisch distanzierte Heiterkeit korrespondiert bestens mit der nachdenklichen und sachlichen Diktion Richard Wagners. So verwundert es auch nicht wenn Wagner, der 1952 im rumänischen Banat geboren, und dort seine ersten 35 Lebensjahre als Angehöriger einer verfolgten deutschen Minderheit verbrachte, bei der Reflexion über den Begriff Heimat den Satz "Wir waren Deutsche, wir legten Wert darauf, es zu sein." zu Papier bringt.

"Die deutsche Seele" ist ein Buch, das der Leser wohl immer wieder in die Hand nehmen wird weil es so vollkommen entgegengesetzt zum aktuellen Zeitgeist, der so gern die historischen Wurzeln eines Volkes als altbacken und unmodern beiseiteschiebt, geschrieben ist. Wenn Friedrich Nietzsche und Ernst Jünger sachliche Erwähnung finden, Martin Heidegger nicht nur als glühender Verfechter des Nationalsozialismus - der er anfänglich ohne Zweifel gewesen ist - geschildert wird, sondern vielmehr als philosophischer Wegbereiter der typisch neu-deutschen Lust am Abgrund - German Angst - und auch Adolf Hitler nur elfmal Erwähnung findet, dann geht es den beiden Autoren wohl um das ehrliche Bemühen darum, die Befindlichkeiten der "deutschen Seele" korrekt zu verorten.

"Typisch deutsch" ist in bestimmten politischen Kreisen ein Unwort mit Igitt-Faktor und bereits das Reden über Deutsch und Deutschsein kann den Betreffenden schnell in eine ideologisch verdächtige Position bringen. Diese Angst kennen Thea Dorn und Richard Wagner jedenfalls nicht. Nur wer seine geistigen und kulturellen Wurzeln kennt, der kann sein eigenes Land richtig verstehen. Für den Leser ist Thea Dorns und Richard Wagners Suche nach der "deutschen Seele" eine Reise zu den Wurzeln unseres nationalen Erbes.




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