Buchkritik -- Wolfram Eilenberger -- Zeit der Zauberer

Umschlagfoto, Buchkritik, Wolfram Eilenberger, Zeit der Zauberer, InKulturA Das Weltbild der Aufklärung ist erschüttert, deren Humanismus liegt sogar tödlich verwundet auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs. Nietzsche hat die Moral desavouiert, Freud die Annahme Herr im eigenen Hirn zu sein als Selbstbetrug bloßgestellt, Einstein Zeit und Raum als relativ in Beziehung auf das jeweils andere erklärt und Darwin den Menschen endgültig vom Thron göttlicher Schöpfung gestoßen.

Was bleibt der Philosophie, deren inhärente Aufgabe ja die große Welterklärung ist, nach diesem wissenschaftlichen Kahlschlag also noch zu tun übrig und was wird fürderhin ihre Aufgabe sein? Was also ist vonnöten, damit neue philosophische Fundamente gelegt werden können, die tragfähig genug sind, um die radikalen Herausforderungen der neuen Zeit zu bestehen?

Es bedarf einer "Zeit der Zauberer", die die Philosophie und damit den Weltzugang zurück zu den Wurzeln führen können. Dieser ist, zumindest für die von Wolfram Eilenberger Portraitierten, die Sprache. In dem Jahrzehnt zwischen 1919 und 1929 machen sich Ernst Cassirer, Martin Heidegger, Ludwig Wittgenstein und Walter Benjamin daran, dieses Fundament zu suchen.

Wittgenstein, der Pessimist, hält die wesentlichen Fragen der Ethik für jenseits des sinnvoll Sagbaren. Benjamin versteht Sprache, so Eilenberger "mitnichten als Dienst der weltlichen Mitteilung, sondern als Offenbarung des Seins". Heidegger sieht am Grund des Seins sogar einen Abgrund, ein Nichts, das den Menschen zu einem argumentfreien Sprung in die Tat zwingt, will er denn frei sein. Und Cassirer, der bürgerlichste der Phantastischen Vier? Für ihn besteht die Selbst- und Weltentfaltung im Gebrauch symbolischer Formen durch die Sprache und ihre Bilder.

Es ist ein launiges und kurzweiliges Buch, das Wolfram Eilenberger veröffentlicht hat. Mit Augenzwinkern, auch und gerade beim Profi des Scheitern, Walter Benjamin, bringt er seinen Lesern eine Epoche deutscher Philosophiegeschichte näher, deren, besonders im Fall Wittgenstein und Heidegger, Originallektüre den philosophisch Interessierten sich nicht selten im Dunkel tiefdeutschen Gedankenguts verlaufen lässt. Es ehrt den Autor, dass er unumwunden zugibt, dass bei beiden Denkern Textstellen vorliegen, deren Interpretationen bis heute in Fachkreisen umstritten sind.

Was soll`s? "Das große Jahrzehnt der Philosophie", so der Untertitel, ist ein gelungenes Werk über die Suche nach den Antworten der Philosophie auf die großen Fragen des Lebens. Dass es dabei teilweise menschlich, allzu menschlich zugeht, nimmt der Leser mit süffisantem Lächeln zur Kenntnis.




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Veröffentlicht am 21. April 2018