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Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts scheint das Philosophieren eine bemerkenswerte Wandlung durchlaufen zu haben: Es ist zur Kunst erhoben worden, in wortgewaltigen, doch nicht selten luftleeren Argumentationsschleifen die Welt jenen zu erklären, die ihren Alltag mit produktiven Tätigkeiten bestreiten – sprich: denjenigen, die schlichtweg keine Zeit und wohl auch wenig Muße haben, sich den metaphysischen Tiefen ihrer existenziellen Befindlichkeiten hinzugeben.
Für diesen intellektuellen Selbstzweck stehen eigens Denkmaschinen bereit – akademisch geschult, oft von der öffentlichen Hand alimentiert, und stets mit einem leicht arroganten Blick auf jene herabblickend, die letztlich den Luxus solcher Gedanken-Extravaganzen finanzieren. Es ist ein Schauspiel, in dem die Philosophie sich als Über-Disziplin geriert, während sie in den Augen der Produzierenden nur wenig mehr als blumig formulierte Nabelschau betreibt.
In seinem Buch „Geister der Gegenwart“ lädt Wolfram Eilenberger zu einer Reise durch diese Welt des akademischen Irrlichterns ein. Mit spitzer Feder widmet er sich vier prominenten Figuren, die wie keine anderen für die intellektuelle Experimentierfreude und den Eklektizismus des 20. Jahrhunderts stehen: Theodor W. Adorno, Susan Sontag, Paul Feyerabend und Michel Foucault. Es ist ein irrwitziger Parforce-Ritt durch Denkgebäude, die nicht selten mehr Fragen aufwerfen, als sie beantworten, und deren Tiefe oft nur durch die schiere Länge ihrer Satzkonstruktionen zu beeindrucken weiß.
Doch, und hierin liegt Eilenbergers besondere Kunst, die Begegnung mit diesen „Heroen“ des Denkens ist zugleich amüsant und bissig, immer begleitet von einem Augenzwinkern. Der Leser spürt die Lust des Autors, am Sockel dieser intellektuellen Monumente zu rütteln und ihnen die Ernsthaftigkeit zu nehmen, die sie so oft selbstgefällig beanspruchen.
Man könnte sagen, dass das vorgestellte Quartett, getragen vom Erbe Kants, seine Fähigkeit zum selbstständigen Denken in eine Art intellektuelle Hybris verwandelt hat: Mit wortreicher Brillanz, aber oft fragwürdigem Sinngehalt, schwingen sie den akademischen Stinkefinger gen „kleiner Geister“ und rufen der Welt zu: „Nur wir wissen, was die Welt im Innersten zusammenhält!“
Eilenberger hält diesem Übermut den Spiegel vor – mal schalkhaft, mal spöttisch, aber nie respektlos. Was entsteht, ist eine „fröhliche Wissenschaft“ im besten Sinne Nietzsches: eine Einladung zur intellektuellen Erheiterung, die die Leser gleichermaßen fasziniert wie amüsiert. Die manischen Obsessionen und verworrenen Gedankenspiele dieser Protagonisten erscheinen weniger als „große Gedanken“, denn als symptomatische Verwirrungen eines Jahrhunderts, das selbst nicht recht wusste, wohin mit seiner geistigen Energie.
Am Ende jedoch, und hier zeigt sich Eilenbergers Souveränität, bleibt das Buch weit mehr als nur eine Aufzählung philosophischen Größenwahns, was auch, so liest man zum Schluss, nicht seine Intention ist. Es ist nichtsdestoweniger ein aufklärendes Werk, das uns daran erinnert, dass Theorie ohne Praxis – so brillant sie auch sein mag – letztlich an der Wirklichkeit scheitert.
Und dennoch oder gerade deshalb lautet mein Urteil: absolute Leseempfehlung. Denn, um mit Nietzsche zu schließen: Was nützt uns all diese hochtrabende Philosophisterei, wenn sie eines nicht leisten kann – das wirkliche Leben zu erhellen?
Meine Bewertung:
Veröffentlicht am 28. November 2024