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Buchkritik -- Gregg Hurwitz -- Einsamer Wolf

Umschlagfoto, Buchkritik, Gregg Hurwitz, Einsamer Wolf, InKulturA Gregg Hurwitz setzt mit „Einsamer Wolf“ die Orphan-X-Reihe fort und konfrontiert seinen Protagonisten Evan Smoak mit einer Bedrohung, die sowohl seine physischen Fähigkeiten als auch seine neu entdeckte Menschlichkeit auf die Probe stellt. Ausgehend von einem scheinbar trivialen Auftrag – der Suche nach dem entlaufenen Hund seiner Nichte – entspinnt sich eine Handlung, die Smoak unweigerlich in den Orbit der tödlichen Attentäterin Karissa, bekannt als „Die Wölfin“, zieht.

Der Roman zeichnet sich durch eine signifikante Weiterentwicklung seiner Hauptfigur aus. Während Evan Smoak in früheren Bänden oft als hocheffiziente, beinahe gefühlskalte Tötungsmaschine porträtiert wurde, setzt sich hier seine Transformation zu einer vielschichtigeren Persönlichkeit fort. Der zentrale Konflikt des Romans entspringt aus der Spannung zwischen seiner dunklen Vergangenheit als skrupelloser Agent und dem wachsenden Bedürfnis, die Menschen zu beschützen, die ihm nahestehen. Diese innere Zerrissenheit manifestiert sich besonders in seiner Beziehung zu seiner Ziehtochter und Hackerin Joey, in der sich eine fast väterliche Fürsorge zeigt, die die emotionale Tiefe der Figur unterstreicht und die Dynamik zwischen den beiden zu einem zentralen Pfeiler der Erzählung macht.

Den Gegenpol zu Smoaks wachsender Menschlichkeit bilden die Antagonisten des Romans. Die Attentäterin Karissa und die im Hintergrund agierenden Tech-Milliardäre verkörpern eine zutiefst nihilistische Weltanschauung. Ihr Handeln ist nicht von Moral oder Empathie geleitet, sondern von einer radikal reduktionistischen Logik. Für Karissa existiert die Welt nur in den binären Zuständen von tot oder lebendig, Jäger oder Gejagter. Ihr Nihilismus ist existenziell und aus einem Trauma geboren; er negiert jeden höheren Sinn jenseits des reinen Überlebens.

Dieser primitive Nihilismus wird durch den technokratischen Nihilismus der Milliardäre ergänzt und potenziert. Diese repräsentieren eine dystopische Zukunftsvision, in der die Komplexität menschlicher Existenz auf Daten und Algorithmen reduziert wird. In ihrer Weltanschauung sind Menschen keine Individuen mit intrinsischem Wert, sondern Systeme, die durch Technologie kontrolliert, manipuliert und optimiert werden können. Ihr Streben nach Macht ist losgelöst von jeder ethischen Verantwortung und zielt auf die Errichtung einer totalitären Ordnung ab, die auf der Allmacht künstlicher Intelligenz und digitaler Überwachung basiert. Karissa fungiert in diesem System als dessen ultimatives Produkt und Vollstreckerin, eine menschliche Waffe in einer entmenschlichten Welt.

Gregg Hurwitz gelingt es, diese thematische Tiefe mit einem hochspannenden Action-Thriller zu verbinden. Das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Evan und Karissa erzeugt eine konstante Spannung, während die fortschreitende Charakterentwicklung Smoaks den Leser zur Reflexion über Moral, Menschlichkeit und die Konsequenzen des eigenen Handelns anregt. „Einsamer Wolf“ ist somit mehr als nur eine fesselnde Fortsetzung der Reihe; der Roman ist eine zeitgemäße Auseinandersetzung mit den Gefahren eines entfesselten technologischen Fortschritts und der düsteren Vision einer Zukunft, die von einem allumfassenden Nihilismus bedroht wird.




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Veröffentlicht am 24. Dezember 2025