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Buchkritik -- James McBride -- Himmel & Erde

Umschlagfoto, Buchkritik, James McBride, Himmel & Erde, InKulturA Im Juni 1972 beginnt die Staatspolizei von Pennsylvania mit den Ermittlungen zu einem schaurigen Fund: einem Skelett, das auf dem Grund eines alten Brunnens im heruntergekommenen Chicken Hill-Viertel von Pottstown entdeckt wurde. Dieses Viertel, geprägt von jahrzehntelanger Vernachlässigung, steht kurz vor einer umfassenden Neubebauung. Doch bevor Licht ins Dunkel dieser düsteren Vergangenheit gebracht werden kann, schlägt Hurrikan Agnes zu und spült nicht nur das Skelett, sondern auch alle anderen greifbaren Beweise hinweg. So wird die Aufklärung einer Reihe außergewöhnlicher Ereignisse verhindert, die ihren Ursprung über 40 Jahre zuvor haben – in einer Zeit, als jüdische und afroamerikanische Bewohner in dieser Nachbarschaft ihre Träume, ihr Leid und ihr Leben miteinander teilten.

Im Zentrum der Geschehnisse, die in den 1930er Jahren beginnen, steht Chona, eine warmherzige und großzügige jüdische Ladenbesitzerin. Ihr Geschäft, das „Heaven and Earth Grocery“, gibt dem Roman in seiner Originalausgabe seinen Titel. Chonas ausgeprägtes Mitgefühl und ihre unerschütterliche Fairness prägen ihre Beziehungen zu den afroamerikanischen Familien von Chicken Hill – und überstrahlen sogar das Engagement ihres Mannes Moshe. Angeregt durch ihre Überzeugungen, hebt Moshe die Rassentrennung in seinem Theater auf und ermöglicht so seinen schwarzen Nachbarn unvergessliche Momente, wie etwa den Genuss eines Auftritts des legendären Swing-Orchesters von Chick Webb.

Die gesellschaftliche Akzeptanz dieser freundschaftlichen Verbindungen zwischen Juden und Schwarzen ist jedoch begrenzt. Vor allem bei Pottstowns weißer, christlicher Mehrheitsgesellschaft stoßen sie auf Ablehnung. Besonders feindselig zeigt sich Doc Roberts, der führende Arzt der Stadt und ein prominentes Mitglied des Ku Klux Klan, der alljährlich bei der lokalen Klan-Parade mitmarschiert. Doch trotz solcher Widerstände wachsen die Bande zwischen Chona, Moshe und ihren afroamerikanischen Nachbarn über die Jahre hinweg immer stärker.

Eine Bewährungsprobe dieser Verbundenheit tritt ein, als Chona sich dazu entschließt, Nate Timblin zu helfen. Nate, ein wortkarger schwarzer Hausmeister in Moshes Theater und eine zentrale Figur seiner Gemeinde, bringt ein taub gewordenes Waisenkind namens Dodo in ihre Obhut. Dodo, Opfer einer Explosion, wird von den Behörden fälschlicherweise für „schwachsinnig“ gehalten und soll in eine Anstalt gesteckt werden – einen Ort, der mehr für Missbrauch als für Pflege bekannt ist. Mit ihrem entschlossenen Handeln riskiert Chona nicht nur ihre eigene Sicherheit, sondern auch die ihrer Gemeinschaft.

Es sind die geschickt miteinander verwobenen Schicksale dieser und anderer Figuren, die den Roman zu einem ebenso packenden wie berührenden Drama machen. McBride versteht es meisterhaft, seine narrative Vielfalt einzusetzen, um die Geschichte vor übertriebener Sentimentalität zu bewahren. Zwischen Spannung und humorvollen Momenten entfaltet sich ein Werk, das sowohl Herz als auch Verstand anspricht.

„Himmel & Erde“ ist eine eindrucksvolle Erinnerung daran, dass es unsere Gemeinschaften sind, die uns prägen und uns als Menschen ausmachen. McBride thematisiert eindrücklich unser Bedürfnis nach Zugehörigkeit und zeigt auf, wie komplex, aber auch bereichernd das Zusammenleben in einer heterogenen Gesellschaft sein kann. Der Autor spart aber auch nicht an klaren Worten, wenn es um die Spannungen, Vorurteile und Ressentiments zwischen den verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen geht. Doch über allem thront Chonas unerschütterlicher Glaube daran, dass Menschlichkeit und Solidarität die Gräben zwischen uns überbrücken können.

Ein kleiner Wermutstropfen dieses eigentlich wundervollen Romans ist die Frage, wo der Rest von Monkey Pants geblieben ist.

„Als er am nächsten Morgen aufwachte, ragte sein Arm immer noch durchs Gitter. Monkey Pants lag mit offenem Mund auf dem Rücken, auch sein Arm ragte zwischen den Gitterstäben heraus, der Finger war noch ausgestreckt, in Freundschaft und Verbundenheit.
Aber der Rest von Monkey Pants war nicht mehr da.“

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Veröffentlicht am 17. November 2024