Buchkritik -- Harald Rutzen -- Es gibt immer mal wieder Leute ...

Umschlagfoto, Harald Rutzen, InKulturA Wenn gewohnte Denkmuster und alltägliche Handlungsabläufe plötzlich gestört werden, beginnt die Verwirrung, oder, wie in der "Groteske in 61 Fragmenten" - Verlagsinformation - "Es gibt immer mal wieder Leute ..." von Harald Rutzen, die wahrgenommene Realität erhält Risse, die das scheinbar Normale als Illusion demaskiert und die vermeintliche Gewissheit in einen schlüpfrigen Boden des Anscheins transferiert.

Und tatsächlich, die episodenhaften Geschichten, die Rutzen erzählt, spielen geschickt mit dem Schrecken des Unerwarteten und entlarven die bürgerliche Sicherheit als dünne Schicht Gewissheit, unter der stets eine Welt des Absurden lauert.

Da schafft eine Frau mit großer Subversivität den 30. Februar ab, nur weil es jemand gewagt hat, ihren Geburtstag zu vergessen. Da verschwindet ein Kind, weil es auf seinem Weg nach Hause während des Gehens einschläft. Da wohnt ein junger Mann zur Untermiete, nur um fremde Leben zu erriechen.

Es sind in der Tat groteske Geschichten, die Harald Ritzen seine Lesern erzählt. Mit ihnen hebt er ein ums anderer Mal die Grenze zwischen Erwartung und Erschrecken auf und hält immer eine Überraschung parat, die zuerst stutzig macht, doch dann für schallendes Lachen angesichts des schier Irrwitzigen sorgt.

Der Berufswunsch eines Jungen, der, wenn er groß ist, einmal Raucher werden möchte und dafür von seiner Familie gelobt und unterstützt wird oder die Ehefrau, die ihren Mann nach langen zermürbenden Ehejahren umtauschen will, stets erhält das, was als Realität bezeichnet wird, einen Stich ins Widersinnige.

Wer gern eingefahrene Blickwinkel verlässt und sich gleichzeitig dem unterschwellig immer drohenden Chaos bewusst ist, dem bietet dieses Büchlein ein kurzweiliges Lesevergnügen.




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Veröffentlicht am 20. Dezember 2014