Buchkritik -- Hartmut Kühne -- Auslaufmodell Föderalismus?

Umschlagfoto  -- Hartmut Kühne  --  Auslaufmodell Föderalismus? Deutschland steckt in der Krise. Darüber sind sich alle, Politiker und Bürger, im klaren. Herrscht in diesem Punkt noch Einigkeit, so ist der Chor derjenigen, die Lösungsvorschläge anzubieten haben, äußerst vielstimmig. Die Wirtschaft fordert, wie immer, steuerliche Entlastungen, Mehrarbeit ohne Lohnausgleich, aufgelockerten Kündigungsschutz, etc. Gewerkschaften und Sozialverbände fordern, wie immer, das genaue Gegenteil. Das Fazit: Die Fronten sind verhärtet und niemand ist bereit, sich konstruktiv an der Krisenbewältigung zu beteiligen. Hartmut Kühne hat sich in seinem Buch Auslaufmodell Föderalismus? mit den strukturellen Problemen der Bundesrepublik beschäftigt. Er geht der Frage nach, ob der Föderalismus in seiner bestehenden Form noch dazu in der Lage ist, die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen.

Das Verhältnis zwischen dem Bund und den Ländern ist aktuell geprägt von einer sehr großen Einflußnahme der Bundespolitik auf die Länderregierungen. Die den Ländern ursprünglich zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten wurden sukzessive vom Bund übernommen. Nur auf kommunaler Ebene ist es den Bundesländern noch möglich, in bescheidenem Maß direkten Einfluß auszuüben. Dagegen steht die verstärkte Blockadepolitik des Bundesrates. Kühne analysiert zutreffend, das der Bundesrat immer mehr zu einem Instrument der parteipolitischen Strategien geworden ist. Parallel zum gestalterischen Kompetenzverlust der Landespolitik stehen die Bemühungen der jeweiligen Landesregierung, auf die Bundespolitik Einfluß zu nehmen. Die Landtagswahlen z. B. sind zu einem Abstrafungsorgan der jeweiligen Bundesregierung geworden.

Zu Recht plädiert der Autor für eine Veränderung, nicht Abschaffung, des föderalen Systems. Die Landespolitik muß sich wieder den ihr zugedachten Gestaltungsrahmen zurückerobern. Durch den Wettbewerb der Länder untereinander, z. B. durch eine aktive Steuerpolitik, können strukturelle Verkrustungen aufgebrochen werden. Das Argument der dann entstehenden Ungleichheit zwischen wirtschaftlich starken und wirtschaftlich schwachen Ländern läßt Kühne nicht gelten, denn diese Unterschiede können ja gerade nur dann beseitigt werden, wenn es den Ländern gelingt, ihren direkten Einfluß auszuüben. Ein heikles Thema, der Autor spricht es auch an, ist der Länderfinanzausgleich. Die wirtschaftlich starken Bundesländer unterstützen die Länder, deren finanzielle Kraft nicht ausreicht, um ihren Aufgaben nachzukommen. Das ist, so Kühne, an sich auch in Ordnung. Jedoch hat es im Lauf der Zeit dazu beigetragen, daß sich die jeweiligen Länder zu sehr auf den Geldfluß von Süd nach Nord verlassen haben und es nicht geschafft haben, die Landespolitik ihrem Finanzbedarf anzupassen. Hier wäre mehr Wettbewerb durch eine starke Landespolitik durchaus eine Problemlösung. Ebenso führt kein Weg an Länderfusionen vorbei, weil nur so die vorhandenen Ressourcen besser genutzt und die notwendigen Entscheidungen schneller getroffen werden können

Die Vorschläge des Autors sind eindeutig: Mehr Einfluß auf Länderebene und weniger Einfluß des Bundes. Länderpolitik muß wieder in den jeweiligen Parlamenten und Senaten stattfinden und nicht durch eine Blockadepolitik des Bundesrates. Wettbewerb der Länder untereinander, eine auf die Regionen zugeschnittene Steuerpolitik und die damit verbundene finanzielle Selbstständigkeit, eine weitgehende Kulturhoheit, etc. sind dabei nur der Anfang. Die Länderchefs müssen wieder Politik für ihr jeweiliges Land machen und nicht in der Bundespolitik reüssieren.

Hartmut Kühne analysiert die Probleme genau und zeigt Lösungsmöglichkeiten auf. Doch wie er selber zugibt, wird die Veränderung noch auf sich warten lassen, denn dies würde für viele Politiker einen Machtverlust bedeuten. Das Volk ist zu wirklichen Reformen bereit. Sind es die Verantwortlichen ebenfalls?




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