Buchkritik -- Hildegard Werth -- Thomas Reiter - Leben in der Schwerelosigkeit

Umschlagfoto  -- Hildegard Werth  --  Thomas Reiter Thomas Reiter ist einer von bislang zehn Deutschen, die als Astronauten einen Flug ins Weltall gemacht haben. Bei seinen zwei Missionen verbrachte Reiter 350 Tage im All und ist damit der Europäer, der über die meiste Erfahrung im Weltraum verfügt. Seinen ersten Weltraumflug unternahm Reiter als Bordingenieur auf der Mission Euromir 95, die ihn für 179 Tage im All blieben ließ. Sein zweiter Flug am 4. Juli 2006 führte ihn mit der STS-121 Mission zur ISS. Am 22. Dezember 2006 nach 171 Tagen im Weltraum landete er seine Missionskollegen wieder sicher auf der Erde.

Hildegard Werth, Wissenschaftsjournalistin beim ZDF, hat ihn viele Jahre lang begleitet. In ihrem Buch Thomas Reiter - Leben in der Schwerelosigkeit berichtet sie über den Werdegang dieses deutschen Astronauten und seine Erfahrungen sowohl mit der russischen als auch mit der US-amerikanischen Raumfahrt.

Der Leser wird Zeuge bei den Vorbereitungen und den Trainingsmaßnahmen Reiters. Dabei gelingt es der Autorin, jenseits dessen zu blicken, was ansonsten keinen Platz in Berichten und Reportagen findet. Thomas Reiter und seine Kollegen sind alles andere als heldenhafte Einzelkämpfer. Teamgeist und die Fähigkeit sich selber bei Bedarf auch in den Hintergrund zu stellen, um der Mission zu dienen, sind neben einer wissenschaftlichen Ausbildung die wesentlichen Bedingungen, um in eine Missionsmannschaft aufgenommen zu werden.

Bei den langen Vorbereitungszeiten für die einzelnen Raumflüge ist ebenfalls eine gehörige Portion Geduld vonnöten, die nicht immer mit der Teilnahme am Flug belohnt wird. Das Schicksal einer "Zweitbesatzung" ist es, eben nicht ins Weltall fliegen zu können.

Die auf der Erde unter Schwerkrafteinfluss ohne Probleme zu bewerkstelligenden normalen Verrichtungen stellen die Astronauten in der Schwerelosigkeit des Weltalls vor einige Probleme. Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme, Körperhygiene und Abfallbeseitigung, all das muss während der langen Trainingszeiten permanent geübt werden.

Wer hätte z. B. gedacht, dass die Hersteller von Coca-Cola und Pepsi es aufgegeben haben, ihre Getränke kompatibel für den Genuss im Weltraum zu machen. Was bei Erdschwerkraft kein Problem darstellt - die Kohlensäurebläschen steigen nach oben und verflüchtigen sich - ist bei Schwerelosigkeit vollkommen anders. Die Kohlensäurebläschen blähen sich auf zum einem enormen Schaumvolumen, welches, der Leser ahnt es, der Verträglichkeit von Magen und Darm schadet.

Hildegard Werth hat ein Buch über das Leben eines Astronauten geschrieben, das den Leser teilhaben lässt an den Problemen und Prüfungen vor denen jeder steht, der sich der Tortur unterziehen will, einmal an einen Weltraumflug teilzunehmen. Physische und psychische Belastungen sind nur die eine Seite. Das Wissen um die Fragilität einer Raumstation und die stets im Hintergrund lauernde Gefahr des tödlichen Scheiterns ist wohl für die allermeisten Menschen mehr, als sie jemals ertragen könnten.

Abseits aller Heldenverehrung zeigt die Autorin das ohne Zweifel gefährliche, aber auch faszinierende "Tagesgeschäft" eines Menschen, der ein Leben in der Schwerelosigkeit führt.




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