Buchkritik -- Amerikanische Lyrik 1638 bis 1980

Umschlagfoto  -- Amerikanische Lyrik 1638 bis 1980 Von Zeit zu Zeit durchstöbere ich meine kleine Bibliothek. Die langen Winterabende bieten sich dazu bestens an. Im Haus kehrt Ruhe ein und von Körper und Geist fällt die Hektik des Alltags, die perfide Banalität des Alltäglichen ab.

Just bei solch einer winterlichen Stöberei stieß ich auf ein Buch, dessen Besitz mir überhaupt nicht mehr bewußt war. Erst schüttelte ich meinen Kopf über diese Vergeßlichkeit. Doch bei längerem Nachdenken fand ich die Tatsache, das mir ein Werk aus meiner Büchersammlung nicht mehr bekannt war, immer weniger befremdlich.

Bücher begleiten uns, das hoffe ich zumindest, die längste Zeit unseres Lebens. Abgesehen von der Lektüre, die wir für unsere berufliche Ausbildung brauchen und die kaum dazu geeignet ist, uns zu unterhalten, geschweige denn emotional anzusprechen, können Bücher, sollen Bücher Eckpunkte des Lebens, unseres Lebens sein.

Ein Buch zur richtigen Zeit gelesen, erspart uns unter Umständen einige Zeit der Verwirrung. Ein Buch zur falschen Zeit gelesen, weil wir emotional noch nicht dazu in der Lage waren es richtig in uns aufzunehmen, bedeutet dem Autor Unrecht anzutun, indem wir es langweilig oder nichtsagend finden. Im unpassenden Moment gelesen, bringt uns ein Buch keine Freundschaft entgegen, sondern verschließt sich dem tieferen Verständnis. Für alles gibt es eine richtigen Zeitpunkt, auch für unsere Lektüre.

Dies also waren in Kürze meine Gedanken, die mich bewegten als ich das Buch "Die weiten Horizonte" verwundert in meinen Händen hielt. Es ist eine Anthologie amerikanischer Lyrik aus den Jahren 1638 bis 1980.

Im Prinzip habe ich starke Vorbehalte gegenüber Gedichtbänden. Die Häufung von Verskunst führt oft dazu, das Gefühl für die einzelnen Gedichte zu verlieren. Mehr als zwei, maximal drei Gedichte an Tag, sollte niemand lesen. Es sei denn er oder sie ist dazu verurteilt als professioneller Kritiker den Lebensunterhalt verdienen zu müßen. Wahrlich eine Strafe.

Was hat mich an diesem Buch, nach Jahren stillen schlummerns im Regal, am meisten fasziniert? Es war dieser, auf den ersten Blick scheinbar unüberwindbare Wiederspruch zwischen all dem was für Amerika steht: Grenzenloses Streben nach Geld und Macht, Kapitalismus in Reinkultur, ein durch die Jahrhunderte konservierter rücksichtsloser Pioniergeist dem in der Vergangenheit mehrere Völker, die der Indianer, zum Opfer gefallen sind.

Dem gegenüber steht die Poesie, die Empfindungsfähigkeit eines Ralph Waldo Emerson, der lyrische Pessimismus eines Edgar Allan Poe, die geistige Unabhängigkeit einer Emily Dickinson, der Tranzendentalismus eines Henry David Thoreau und das farbige Selbstbewußt eines Langston Hughes.

Sie alle sind mit ihren verschiedenen lyrischen Ausdrucksformen und Inhalten ebenfalls ein Teil der amerikanischen Kultur. Das typische, weil sichtbare Amerika und die ruhigen, von innen geschauten, universell gültigen Daseinszustände, treffen aufeinander und kristallisieren sich auf diese Art in besonderem Maß.

Das genau macht für mich den Reiz dieses Buches aus. Seitdem habe ich es nie wieder verlegt und vergessen. Seitdem sehe ich aber auch Teile der amerikanische Kultur mit anderen Augen.

Ich lege an dieser Stelle Kurzbiographien und ausgewählte Gedichte von oben erwähnten Schrifstellern vor.




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