Buchkritik -- Wilfried Huismann -- Schwarzbuch WWF

Umschlagfoto, Wilfried Huismann, Schwarzbuch WWF, InKulturA Die Marke ist die Botschaft. Das ist das Credo des 21. Jahrhunderts. Konzerne, Banken und sogar die Politik bedient sich ihrer, um anstelle von Argumenten oder einer sachdienlichen Staatsführung die Gehirne der Verbraucher ausschließlich mit Bilder und den mit ihnen transportierten Botschaften zu vernebeln. Die Marke kommt in vielen Verkleidungen daher. Die politische Parole von der Energiewende ist ebenso eine Marke wie das "Umweltsiegel" Blauer Engel. Sogar die politische Durchhalteparole "Alternativlos" hat inzwischen durchaus Markencharakter erlangt.

Dass die Deutschen ein Volk von "Naturaktivisten" geworden sind, zeigt die Tatsache, dass das Angebot von Produkten aus nachhaltiger Landwirtschaft die Nachfrage kaum decken kann. Das Wort Bio, ebenfalls eine Marke, ziert verkaufsfördernd viele Lebensmittel und - vollkommener Irrsinn - ist zum Synonym für umweltgerechtes Autofahren geworden. Die Marke verkündet eine Dazugehörigkeit zum jeweiligen Kreis der Eingeweihten und schafft so eine Gruppendynamik, deren Verlauf sich mehr und mehr verselbstständigt. Das ist von den Architekten der Marke bewusst eingeplant, setzen sie doch auf das Kalkül, dadurch die hinter der Marke wirkenden Kräfte vor den Augen der Verbraucher zu verbergen.

Eine dieser global wirkenden Marken ist ein kleiner, schwarz-weißer Panda, der das weltbekannte Logo des WWF (World Wide Fund For Nature) ist. Keiner anderen Naturschutzorganisation geht ein solch guter Ruf voraus, wie dem 1961 in der Schweiz gegründeten World Wildlife Fund und keine verfügt über die Mittel und den gesellschaftlichen und politischen Einfluss dieser NGO (Nichtregierungsorganisation).

Wilfried Huismann hat hinter den Kulissen des WWF recherchiert und dabei einige erschreckende Fakten zutage gefördert, die so gar nicht mit dem offiziell vermittelten Bild dieser Organisation übereinstimmen. So wird immer wieder die Kritik an der Zusammenarbeit des WWF mit Großkonzernen laut, nach der diese Naturschutzorganisation mit dafür verantwortlich ist, dass in der südlichen Hemisphäre die großflächige Abholzung der tropischen Wälder zugunsten der Palmölgewinnung und biologischer Kraftstoffe stattfindet.

Der Autor, Journalist und Filmemacher, geht in seinem "Schwarzbuch WWF" diesen Vorwürfen nach und kann sie anhand vieler Beweise bestätigen. Bereits bei seiner Gründung im Jahr 1961 war einer der größten Spender das Energieunternehmen Royal Dutch Shell. Diese Nähe zur Wirtschaft hat im Zeitalter der Globalisierung eine neue Dimension erreicht, sind doch einige Firmen dabei, den Weltmarkt unter sich aufzuteilen. Monsanto, ein Unternehmen, das weltweit zahlreiche Monopole für die Produktion von Saatgut und Herbiziden besitzt, sowie seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts führend in der Biotechnologie zur Erzeugung gentechnisch veränderter Feldfrüchte ist und Marine Harvest, ein Nahrungsmittelunternehmen mit Firmensitz in Oslo und der weltweit größte Zuchtlachskonzern sind nur zwei der vielen Klienten, die der WWF in Fragen des Umwelt- und Naturschutzes berät.

Offiziell tritt der WWF als Vermittler und ökologischer Ratgeber zwischen global operierenden Konzernen und den Ländern auf, in denen wirtschaftliche Investitionen getätigt werden sollen. Dass dabei die Interessen der Menschen vor Ort und auch der Umweltschutz, immerhin das Ziel, dem sich der WWF so vollmundig widmet, auf der Strecke bleibt, beweist das Buch von Huismann an vielen Stellen. So hat der Konzern Marine Harvest bei seinem wirtschaftlichen Engagement in Chile eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Die einheimische Fischindustrie wurde durch die extensive Zuchtlachshaltung in riesigen Fischfarmen ihrer Grundlage beraubt und die Umwelt auf Jahre großflächig zerstört.

Auch bei der Bereitstellung von Anbauflächen für die Erzeugung von Biokraftstoffen ist der WWF eine von den damit ihr Geld verdienenden Konzernen gern in Anspruch genommene Einrichtung. So ist z. B. der Roundtable on Sustainable Palm Oil eine vom WWF initiierte Einrichtung, in der die wirtschaftlichen Interessen der jeweiligen Unternehmen, beraten vom WWF, gesichert werden sollen. In der Realität sieht das folgendermaßen aus. Ein großes, ökologisch intaktes Gebiet des Regenwalds wird abgeholzt, die darin lebenden Tiere ihres Lebensraums beraubt und die Menschen, teil mit Gewalt, umgesiedelt. Diese Fläche wird dann als Palmölplantage benutzt und bekommt - man bemerke die irrsinnige Wirkung der Marke - die "Nachhaltigkeit" bestätigt. Übrig bleibt ein schmaler Streifen Restregenwald, dessen Erhaltung sich die Offiziellen des WWF als Beweis einer nachhaltigen Landwirtschaft auf die Fahnen schreiben. Wer bei dieser scheinheiligen Aktion die Verlierer und wer die Gewinner sind, liegt auf der Hand.

Wer in Zukunft den Panda des WWF betrachtet, der sollte ebenfalls darüber informiert sein, was der World Wide Fund For Nature unter Tier- und Artenschutz versteht. So betreibt der WWF z. B. in Indien eine "Tigerkampagne", die in den Augen der Einheimischen, aber auch in denen von anerkannten Fachleuten eher kontraproduktiv als nützlich ist. In hermetisch abgesperrten Reservoirs, die in den Hochglanzbroschüren des WWF gern als Naturschutzparks deklariert werden, findet in erster Linie ein Massentourismus für Wohlhabende statt, die es anscheinend genießen, wenn sie wie in einem Freilandzoo durch die Gegend gefahren werden und für den Anblick eines Tigerschwanzes sehr viel Geld bezahlen. Dass aus diesen vermeintlichen Naturschutzparks vorher die dort lebenden Menschen, die mehr für die Erhaltung der natürlichen Umwelt getan haben als jede Kampagne des WWF, verjagt oder umgesiedelt wurden, zeigt einmal mehr den Irrsinn, den der World Wide Fund For Nature unter der Fahne des Umwelt- und Naturschutzes betreibt. In dieser Hinsicht bekommt dann auch der Dokumentarfilm Serengeti darf nicht sterben des 1987 verstorbenen Tierfilmers eine vollkommen neue Dimension. Auch der langjährige Direktor des Frankfurter Zoo und Moderator zahlreicher Fernsehsendungen, u. a. Ein Platz für Tiere, hielt die Massai, die Bewohner der Serengeti, die dort seit Tausenden von Jahren gelebt haben für ungeeignet, ihren Lebensraum zu schützen und zu bewahren. 1958 wurden sie aus dem Serengeti-Park vertrieben.

Wilfried Huismann legt den Finger in so manche Wunde des WWF und entlarvt diese Organisation als Handlanger und Wegbereiter mächtiger Konzerne. Kein Wunder, dass der WWF den Versuch unternommen hat, den Verkauf dieses Buches zu verhindern. Getretene Hunde beißen nun einmal und anscheinend hat der Autor die empfindlichen Stellen des World Wide Fund For Nature getroffen. Dieser hat jedoch einflussreiche Mitglieder - der Club der 1001, ein Who´s Who der Reichen und Mächtigen dieser Welt - und deshalb ist es ihm gelungen, gegenüber den deutschen Buchhändlern Unterlassungsansprüche geltend zu machen und sie damit unter Druck zu setzten, um die Auslieferung des Buches zu stoppen. Leider verfügen auch die Großen der Branche anscheinend über kein Rückgrat.

Obwohl erst am 15.Juni 2012 eine Verhandlung vor dem Landgericht Köln angesetzt ist und das Buch bis dahin offiziell verkauft werden darf, haben sich alle Buchhändler in vorauseilendem Gehorsam dem Druck des WWF gebeugt. Erhältlich ist es ausschließlich über das herausgebende Gütersloher Verlagshaus.

Der Autor kratzt gewaltig am Image des WWF. Seine Nachforschungen treffen diese Organisation anscheinend bis ins Mark, ansonsten würde die nicht ihren geballten Einfluss aufbieten, um Wilfried Huismann zum Schweigen zu bringen. Ein kleiner Wermutstropfen dieser ansonsten tadellos recherchierten Enthüllung der Praktiken dieser "Naturschutzorganisation" besteht darin, dass der Autor es versäumt, darauf hinzuweisen, wie sehr wir, die Verbraucher, es in der Hand haben, diese Methoden durch andere Konsumgewohnheiten zu stoppen. Immerhin werden die Wälder Südamerikas und Asiens zur Erhaltung des westlichen Lebensstils vernichtet. Doch der intelligente Leser, an den sich Huismann zweifelsohne wendet, weiß das wahrscheinlich selber.

Wilfried Huismann, Schwarzbuch WWF, Gütersloher Verlagshaus, 2012, 256 Seiten, ISBN 978-3-579-06675-2




Meine Bewertung:Bewertung


Nachtrag 02.August 2012
In einem außergerichtlichen Vergleich zwischen dem Verlag und dem Autor Wilfried Huismann auf der einen und dem WWF auf der anderen Seite wurde bezüglich der Neuauflage dahingehend eine Einigung erzielt, dass das Buch an 21 Stellen überarbeitet werden muss. Weitere Informationen auf www.wwf.de/schwarzbuch-wwf/