Buchkritik -- Hans Mathias Kepplinger -- Die Mechanismen der Skandalisierung

Umschlagfoto  -- Hans Mathias Kepplinger  --  Die Mechanismen der Skandalisierung Warum wird bei manchen politischen Angelegenheiten eine mediale Sau durchs Dorf getrieben und aus welchen Gründen schließen sich Journalisten zu einer, ihr Opfer hetzenden Meute zusammen? Weshalb entsteht manchmal aus im Prinzip belanglosen Angelegenheiten ein Skandal, der in keinem Verhältnis zu seinem auslösenden Mechanismus steht?

Hans Mathias Kepplinger hat einige der aktuellen Skandale untersucht und kommt zu einem, für die Kollegen von der schreibenden Zunft, den Journalisten, wenig schmeichelhaften Urteil. Der Autor, Schüler der Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann, beschäftigt sich in seinen neuestes Buch mit dem, was man gemeinhin unter dem Herdentrieb versteht. Ein Leittier gibt die Richtung vor und alle anderen Herdentiere folgen.

Nun ist es evident, dass Kepplingers Argumentation zu reflektiert ist und er die Spielregeln argumentativer Etikette kennt, als dass er den Begriff Schafherde explizit benutzen würde. So bezeichnet er anstelle dessen die Arbeitsweise der meisten Journalisten eher als "Kollegenorientiert", was zum einen deren Prozess der Meinungsbildung beschreibt, zum anderen jedoch seinen blanken Hohn für diejenigen zum Ausdruck bringt, die ihren Informationsauftrag - eben den haben Journalisten - auf dem Altar der Ängstlichkeit gegenüber abweichenden Meinungen verraten.

Es ist menschlich, manchmal all zu menschlich, peinlich genau auf die Signale zu achten, welche die individuelle Umgebung von sich gibt. Das gilt ebenso für modische und berufliche Accessoires, wie auch für das geistige Umfeld. Schwer hat es jemand, der über eine dezidiert abweichende Meinung verfügt und diese auch noch öffentlich artikuliert. Diese Spezies ist bei den Vertretern der veröffentlichten Meinung, bei den Journalisten und politischen Berichterstattern jedoch anscheinend vom Aussterben bedroht.

Kepplinger untersucht die Mechanismen dieser professionellen Skandalisierung anhand aktueller Beispiele. Die "Affären" Guttenberg, Sarrazin und Kachelmann sind noch in (un)guter Erinnerung und der "Fall Wulff" erst nach Drucklegung des Buches so richtig in Fahrt gekommen.

Kam in der Plagiatsaffäre des ehemaligen Verteidigungsministers zu Guttenberg die mediale Maschine nur schwer auf Touren, so schlug die veröffentlichte Meinung im Fall des Buches von Thilo Sarrazin sofort unisono und mit voller Wucht zu. Dass hier jedoch keine mediale Hinrichtung stattgefunden hat, war den zahlreichen zustimmenden Leserbriefen und Diskussionsforen geschuldet, die sich argumentativ und sachdienlich mit den Thesen von Sarrazin auseinandergesetzt haben. Den Redaktionen muss dieses bürgerliche Sperrfeuer reichlich Anlass zu differenzierterer Reflexion gegeben haben, denn nach und nach fand die journalistische Berichterstattung zur Sachlichkeit zurück.

Ein weiterer Grund für die Meutenbildung oder genauer gesagt für die journalistische Selbstüberwachung dürfte, der Autor betont das auch, in der politischen Ausrichtung der Berichterstatter liegen. Ohne Zweifel lassen sich die meisten Redakteure und Journalisten eher dem linken Spektrum zuordnen. So verwundert es nicht, dass der ehemalige Bundesminister Fischer sowohl den berechtigten Vorwurf der Körperverletzung als auch die Tatsache, dass in seinem Auto eine bei einem Mordanschlag benutze Waffe transportiert wurde, ohne politischen Schaden oder persönliche Konsequenzen überstanden hat. Auch Journalisten sind anscheinend auf einem Auge, dem linken, blind.

Wie bei allen Kampagnen oder Manipulationen stellt sich auch im Fall eines produzierten Skandals die Frage danach, wer den Nutzen davon hat. Da, wie bereits erwähnt, der politische Journalismus und das dazu gehörige Feuilleton sich vorwiegend in den Händen eher links sozialisierter Meinungsmacher befindet, werden die Opfer des Kampagnenjournalismus dann auch eher im bürgerlich-liberalen Lager zu finden sein. Es glaubt doch wohl niemand allen Ernstes, dass es nur dort intellektuelle Dünnbrettbohrer und Plagiatoren gibt?

Hans Mathias Kepplinger hat in seinem aktualisierten und neu aufgelegten Buch Die Mechanismen der Skandalisierung die Abläufe und die Verantwortlichen dafür entlarvt. Damit dürfte er sich im Lager der "Welterklärer" keine Freunde gemacht haben. Für jeden politisch interessierten Bürger ist sein Buch allerdings eine profunde Quelle zur Demaskierung zukünftiger Skandalkampagnen.




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