```

Buchkritik -- James Kestrel -- Bis in alle Endlichkeit

Umschlagfoto, Buchkritik, James Kestrel, Bis in alle Endlichkeit, InKulturA Die Hauptfigur des Romans, Leland Crowe, ist ein gefallener Held, ein ehemaliger Anwalt, der vor sechs Jahren alles verlor – seine Karriere und seine Ehe – nachdem er den Richter verprügelte, der eine Affäre mit seiner Frau hatte. Nun schlägt er sich als Privatdetektiv durch, arbeitet für seinen früheren Chef Jim und ist bereit, die schmutzigen Jobs zu erledigen, die andere meiden. Dabei riskiert er nicht selten, mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten.

Während eines dieser Aufträge entdeckt Crowe die Leiche einer Frau, Claire Gravesend, die offenbar aus einem Hochhaus in den Tod gestürzt ist. Er macht Fotos von der Leiche, um sie an die Presse zu verkaufen, und gerät dabei in ein dunkles Netz aus Geheimnissen und Gefahren. Claires Mutter, die nicht an den Selbstmord ihrer Tochter glaubt, beauftragt Crowe, den Tod ihrer Tochter zu untersuchen. Die Spur führt ihn tief in die Welt der Superreichen, wo Geld keine Rolle spielt und der Traum von Unsterblichkeit greifbar scheint. Schon bald wird sein Leben bedroht, sein Büro verwüstet, und Crowe begreift, dass Claire nach etwas gesucht hat, das alles verändern könnte.

Claire Gravesend, die Tote, trägt seit ihrer Kindheit schreckliche Narben auf dem Rücken, deren Ursprung Crowe zu ergründen versucht. Im Laufe seiner Ermittlungen begegnet er einer Frau, die Claire bis aufs Haar gleicht. Ab diesem Punkt wird es gefährlich – besonders als Claires Mutter zugibt, dass Claire adoptiert war. Diese Entdeckung führt Crowe in noch tiefere, gefährlichere Gewässer.

Crowe selbst ist ein zwiespältiger Charakter: Seine Vergangenheit ist von dunklen Ereignissen geprägt, seine Gegenwart ungewiss, und seine Zukunft erscheint düster. Doch er ist extrem kompetent, hat Verbindungen zu Menschen in allen möglichen Bereichen, die ihm wichtige Informationen und technische Unterstützung liefern können. Vor allem aber ist Crowe bereit, immense Risiken einzugehen – er ist ein Mann, der das Notwendige tut, koste es, was es wolle.
Obwohl er oft moralisch fragwürdige Methoden anwendet, scheint er stets bemüht, das Richtige zu tun. Die Nebenhandlung, die sich um seine Ex-Frau dreht, fügt seiner Figur eine interessante Dimension hinzu: Sie zeigt einen verletzlicheren, menschlicheren Crowe, der trotz seiner Härte und seines rauen Äußeren emotional nicht ganz abgeschlossen hat.

Im letzten Teil des Romans wechselt die Handlung zunehmend ins Science-Fiction-Genre. Das Motiv der Lebensverlängerung mithilfe menschlicher Körper und der entsprechenden Technologie ist kein neues Thema, doch James Kestrel, der mit bürgerlichem Namen Jonathan Moore heißt, schafft es, diesen Aspekt nicht in futuristische Spekulationen abgleiten zu lassen. Er bleibt nah an dem, was wissenschaftlich bereits denkbar ist, und verleiht so der Geschichte eine beunruhigende Realität.

Die Noir-Elemente, die die Erzählung prägen, bleiben dabei stets präsent und erden die Handlung in einer düsteren, aber glaubhaften Welt. Die potenziellen Kunden – allesamt mächtige, reiche Figuren – wirken authentisch und erschreckend real. Der Roman zeigt auf, wie weit einige Menschen zu gehen bereit wären, um die Unsterblichkeit zu erlangen – ein Thema, das nicht in einer fernen Zukunft spielt, sondern bereits in der Gegenwart anklopft.

„Bis in alle Endlichkeit“ ist ein düsterer Thriller, der sich um die Hybris der Menschheit, Transhumanismus und Genetik dreht. James Kestrel beweist mit diesem Roman, der 2019 in den USA erschien und nun in deutscher Übersetzung vorliegt, erneut sein Talent als großartiger Geschichtenerzähler. Der Roman ist packend und verstörend zugleich, und bietet neben seiner spannungsgeladenen Handlung auch genug Stoff zum Nachdenken.




Meine Bewertung:Bewertung

Veröffentlicht am 3. Oktober 2024