Buchkritik -- Barbara Erdmann -- Kinder wieder ganz machen

Umschlagfoto  -- Barbara Erdmann  --  Kinder wieder ganz machen Nach dem Pisa-Schock übertrafen sich Deutschlands Politiker mit Verbesserungsvorschlägen zur Neuordnung des Bildungssystems. Wissenschaftler und Pädagogen beeilten sich ebenfalls, um mit Vorschlägen in die tägliche Berichterstattung der Medien zu gelangen. Was ist seitdem passiert?

Barbara Erdmann zieht in ihrem Buch Kinder wieder ganz machen eine nüchterne Bilanz dessen, was in Deutschland unter dem Begriff "Kinder sind unsere Zukunft" firmiert. Die Quintessenz ist ernüchternd. Wie schon in ihrem Buch Deutschlands kaputte Kinder zeigt die Autorin schonungslos all das auf, was in unserem Staat und in seinem Bildungssystem nicht nur im Argen, sondern bereits am Boden liegt. Kinder, so Barbara Erdmann, sind die Verlierer in einer Gesellschaft, deren erklärtes Ziel es zu sein scheint, die Zukunft verspielen zu wollen.

Der Ursprung der aktuellen Misere liegt in der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung, welche die Bundesrepublik seit dem Ende der 60`er Jahre gemacht hat. Die Familie wurde als Keimzelle des Faschismus diskreditiert. Tugenden wie z. B. Fleiß, Pünktlichkeit und Ordnung, die ein geregeltes gesellschaftliche Zusammenleben erst ermöglichen wurden ersetzt durch ein diffus propagiertes Selbstverwirklichungsbestreben.

Gleichzeitig wurde, da der "Marsch durch die Institutionen" leider erfolgreich war, der Wert und der Sinn der Familie durch staatliche Eingriffe in die Erziehungsarbeit der Eltern und durch Parolen wie die des SPD-Politikers Olaf Scholz "...wir müssen die Lufthoheit über die Kinderbetten Deutschlands erlangen" unterminiert.

Die Schule, bildungsmäßiger Repräsentant des Staates und seiner politischen und sozialen Ideen, trägt ebenfalls ihren Anteil an den existierenden Problemen. Zu große Klassen, Lehrpläne die den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Schüler keine Rechnung tragen, mangelnde Deutschkenntnisse, nicht nur bei Migrantenkindern, sind nur einige der von der Autorin immer wieder zu recht angesprochenen Schwierigkeiten.

Natürlich und Barbara Erdmann wird nicht müde dies immer wieder zu betonen, haben auch die Familien ein gehöriges Maß an Mitschuld. Viele Eltern haben den pädagogischen Begierden des Staates nichts entgegenzusetzen gehabt. Im Lauf der letzten Jahrzehnte entzog der Staat den Eltern sukzessive die Verantwortung für die Erziehung. Das gipfelte darin, daß Kindern in der Schule von ihren Lehrern geraten wurde, die Eltern bei gravierenden Konflikten einfach zu verklagen. (So geschehen in der Schule des diese Zeilen schreibenden Rezensenten).

Barbara Erdmann zeigt ebenfalls sehr deutlich den Zusammenhang zwischen der aktuellen geistig-moralischen Vernachlässigung der Kinder und deren exzessiven Medienkonsum. Täglich mehr als 6 Stunden Fernsehen fördert allenfalls die Verblödung, aber erweitert nicht die Kenntnisse von der Welt. Das Internet, von vielen ratlosen, aber permanent plappernden "Fachleuten" und Politikern als Ausweg aus der Misere propagiert, kann dies leider auch nicht erfüllen. Der wer kaum lesen und schreiben gelernt hat, wird sich auch hier nur die bunten Bilder einer Scheinwelt betrachten können.

"Kinder wieder ganz machen" ist ein engagiertes Buch für alle diejenigen, die sich mit Erziehung beschäftigen: Eltern, Lehrer, Politiker und Wissenschaftler. Jenseits aller Ideologie zeigt es die erschreckenden Probleme, an denen die Gesellschaft krankt. Doch, und das ist die Botschaft der Autorin, noch ist nicht alles zu spät. Nach dem Motto des finnischen Präsidenten des Zentralamtes für Unterrichtswesen in Helsinki, Jukka Sarjala, "Wir brauchen hier jeden, hoffnungslose Fälle können wir uns nicht erlauben", sollten auch wir in Deutschland verfahren.

Bislang werden ganze Schülergenerationen von Politik und Wirtschaft abgeschrieben. Es scheint kein Interesse daran zu bestehen, die Zukunft unseres Landes zu gestalten. Barbara Erdmann zeigt aber Auswege aus dieser Falle auf. Sie setzen jedoch eines voraus: Das Interesse von allen gesellschaftlichen Kräften an der Förderung und Ausbildung unserer Kinder. Eltern, Lehrer und Politiker - Sie alle geht dieses Buch an.




Meine Bewertung:Bewertung