Buchkritik -- Karin Kneissl -- Testosteron Macht Politik

Umschlagfoto  -- Karin Kneissl  --  Testosteron Macht Politik, InKulturA Politik, die nicht mehr auf demographische Herausforderungen reagiert, die es ebenfalls versäumt, abseits des selbstreferentiellen Mainstreams der herrschenden Eliten, die für sich die Deutungshoheit sozialer, gesellschaftlicher und politischer Definitionen beanspruchen, nach möglichen Szenarien zukünftiger Entwicklungen - globaler oder regionaler Art - zu suchen und die mithilfe der Meinungsmacher in den Medien den Status quo als Endstufe einer in jeder Hinsicht beschränkten Sicht der Dinge präsentiert, mutiert zu einer rigiden Ideologie, deren Antworten auf die möglichen Probleme der Zukunft in einer perpetuierten Nabelschau des Bestehenden liegen.

Karin Kneissl stellt in ihrem Buch "Testosteron Macht Politik" die gewagte und dem Zeitgeist diametral entgegengesetzte Frage nach dem, was einer der möglichen Beweggründe für politische Veränderungen, für Revolutionen und für Volkserhebungen sein könnte. Abgesehen von den "Nebenschauplätzen" der Gehorsamsverweigerung gegenüber einem politischen System wie z. B. dramatisch steigende Lebensmittelpreise (Französische Revolution), als ungerechtfertigte Steuererhöhung (Boston Tea Party) oder die Februarrevolution 1848 in Paris, stets sind es junge Männer, die sich gegen die Ordnungsmacht erheben und an vorderster Front für ihre Ideen kämpfen. Auch die sog. Arabellion, der Massenaufstand nordafrikanischer und arabischer Bürger gegen die Oligarchien ihrer Länder wurden in erster Linie von Männern im Alter zwischen 18 und 25 Jahren initiiert.

In den materiell saturierten Ländern des Westens ist seit vielen Jahren eine gewisse Ignoranz gegenüber möglichen Abweichungen vom gesellschaftlich akzeptierten Handeln zu konstatieren. Das wird besonders in dem von der Regel abweichenden Verhalten großer Gruppen von jugendlichen Migranten in den Problemvierteln der Großstädte deutlich. Nicht der "herrschaftsfreie Dialog" wird zur Lösung von Problemen und Meinungsverschiedenheiten gepflegt, sondern z. T. exorbitante Gewaltausübung. Dass eine westlich sozialisierte Mehrheit dieser Problemlösungsstrategie einer auf Ehrverteidigung und Machismo gepolten Minderheit junger Männer wenig entgegenzusetzen hat, steht außer Frage.

Während, zumindest im deutschsprachigen Raum intellektueller Befindlichkeiten der Genderwahn munter sein (Un)Wesen in der gesellschaftlichen Diskussion bezüglich der Geschlechtsidentität treibt, stellt die Autorin vollkommen zu Recht die Frage nach dem eigentlichen Movens für männliche Aggressivität und Kampflust. Die ist, so Karin Kneissl, in vielen Spielarten sichtbar. Männlicher Führungsanspruch und der Wettbewerb innerhalb einer Männergruppe gehören ebenso dazu wie das biologisch-psychologische Erbe der Schutzbereitschaft gegenüber dem weiblichen Geschlecht. Anscheinend ist die geschlechtsspezifische Rollenfestlegung bei Weitem nicht so abhängig von der gesellschaftlichen Prägung, wie es die Verfechter der Gender-Theorie darstellen.

Sollte die These von Karin Kneissl wissenschaftlich untermauert werden (es spricht einiges dafür), dann hat das keine geringen Auswirkungen auf die globale demographische Entwicklung. In Ländern wie Indien, China oder auch in moslemisch geprägten Ländern ist es eine traurige Gepflogenheit, weibliche Nachkommen bereits nach der Geburt zu töten oder sie, wie in vielen Fällen, an finanzkräftige Ausländer zu verkaufen. Der daraus resultierende Überschuss männlicher Kinder hat dramatische Konsequenzen für die Zukunft.

Nicht erst seit Freuds essayistischen Ausführungen über Sexualität wissen wir um die Bedeutung geregelter Triebabfuhr. Ebenso wissen wir um die Probleme, die im Zusammenhang mit einem mangelnden Ausleben sexueller Wünsche einhergehen - Psychologen, Psychiater und sonstige Ratgeber verdienen gut an dieser Tatsache.

Die Autorin stellt in ihrem Buch "Testosteron Macht Politik" die provokante Frage, ob nicht ein großer Teil politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen auf das Konto der ungefähr einen Meter unter dem Kopf sich befindenden Körperregion geht. Diese Fragestellung wird natürlich den vehementen Protest aller diejenigen herausfordern, für die der Mensch ein Wesen jenseits von Triebhaftigkeit und Hormonsteuerung darstellt.

Diese These impliziert natürlich auch viel weitreichendere Fragen als ein mögliches genetisch fixiertes Verhalten, welches Männern das Beschützen von Frauen in die Wiege gelegt hat. Steht etwa die Willensfreiheit zur Disposition? Sind Menschen bzw. Männer hormongeplagte Automaten, die ihre Handlungen nicht unter Kontrolle haben? Karin Kneissl gibt diesbezüglich Entwarnung. Hormone, in diesem Fall Testosteron, üben unbestreitbar einen großen Einfluss auf unser Handeln aus. Die Endkontrolle übt in den meisten Fällen jedoch immer noch das Gehirn durch die Kontrolle der in ihm verankerten gesellschaftlichen Spielregeln aus.

"Testosteron Macht Politik" wird frischen Wind in die inzwischen langweilig gewordene Diskussion über die Unterschiede zwischen Männer und Frauen bringen. Dass sich besonders die Genderwissenschaftlerinnen über das Buch ärgern werden, ist eine weitere Pikanterie.




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