Buchkritik -- Jiří Kratochvil -- Gute Nacht, süße Träume

Umschlagfoto, Jiří Kratochvil, Gute Nacht, süße Träume, InKulturA Der Zweite Weltkrieg ist, zumindest in Europa, kurz vor seinem Ende. Die Truppen Hitlers befinden sich an allen Fronten auf dem Rückzug und hinterlassen eine Spur der Verwüstung. In Brünn machen sich im Chaos zwischen Zerstörung, versprengten deutschen Heckenschützen und dem Vorrücken der Roten Armee drei Männer daran, ihre jeweils eigene Mission zu erfüllen.

Während Kostja und Kuba sich auf die Suche nach dem mysteriösen "Mr. Penicillin" machen, in dessen Besitz sich angeblich dringend benötigte Medikamente für die Brünner Kliniken befinden, ist Jindřich aufgrund der Weissagung einer Zigeunerin der entscheidende Mensch, der in der "Nullzeit", dem Augenblick in dem sich die Zukunft zwischen Gut und Böse entscheidet, eine wichtige Rolle spielt.

Jiří Kratochvil entfaltet in seinem fabulierfreudigen Roman "Gute Nacht, süße Träume" ein Kaleidoskop aus Realität und Mystik, das, gepaart mit manchmal derber Ironie, ein Bild des Brünner Nachkriegsgewirrs zeichnet und damit gleichzeitig den Irrsinn des Wütens der Gestapo, aber auch das der sich bereits ankündigenden kommunistische Diktatur beschreibt.

Es ist die Nacht, in der Hitler in Berlin Selbstmord begehen wird, in der sich die Wege der drei Männer auf geheimnisvolle Weise kreuzen werden. Ihre Erlebnisse, grotesk und surreal, bringen dem Leser auf eindringliche Weise die anarchisch anmutenden Zustände der Übergangszeit zwischen deutscher und sowjetischer Okkupation nahe.

In diesem sibyllinischen Moment zwischen nicht mehr und noch nicht, in dem scheinbar alle Möglichkeiten der Zukunft noch offen sind und die Geschichte, oder wie Kratochvil es schreibt, der ewige Kampf zwischen Gut und Böse aufs Neue entschieden wird, ist Jindřich dazu auserkoren, zusammen mit einer ihn begleitenden sprechenden Katze, das Zünglein an der Waage zu sein.

Jiří Kratochvil, der in seinem Roman oft die Erzählperspektive wechselt, nimmt den Leser mit auf eine Reise zwischen Wirklichkeit und Fantasie, die geschickt mit dem tief in der menschlichen Psyche angelegten Archetypus des immerwährenden Kampfes zwischen den Kräften des Bösen und des Guten spielt. Dabei, Kratochvil beschreibt es mit ironischem Pessimismus, tendiert der Lauf der Geschichte überwiegend zu ersterem.




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Veröffentlicht am 11. Oktober 2015