Buchkritik -- Christoph Kucklick -- Die granulare Gesellschaft

Umschlagfoto, Die granulare Gesellschaft, InKulturA Die immer schneller voranschreitende Digitalisierung der Welt, der Gesellschaft und des Menschen und die digitale Sammelwut von Behörden und Unternehmen verändert das Zusammenleben auf unserem Planeten in einem bislang noch gar nicht zu erahnendem Ausmaß. Die Freiwilligkeit, mit der die Teilnehmer an den sog. "sozialen Netzwerken" ihre persönlichen Daten einer anonymen Öffentlichkeit preisgeben, ist erschreckend. Google, Facebook und andere Datensammler ermöglichen es, aus der bisher scheinbar homogenen Masse der Nutzer eine zunehmend, wie Christoph Kucklick es in seinem Buch nennt, "granulare Gesellschaft" zu formen, in der der Einzelne vermessen, beurteilt und, im schlimmsten Fall, kategorisiert wird.

Das, was wir als Wirklichkeit bezeichnen, wird einem Auflösungsprozess unterworfen, der die bislang den gesellschaftlich-politischen Diskurs bestimmenden These von der Gleichheit der Menschen in Frage stellt. Je mehr Daten Big Data über uns sammelt, desto größer wird der reale Unterschied zwischen den Individuen und die vermeintliche Bindungskraft des Sozialen nimmt zugunsten einer mehr und mehr granular sich entwickelnden Gesellschaft ab.

Damit gerät die bisherige Vorstellung vom Menschen und ebenfalls die seiner sozialen Umgebung ins Wanken, denn je tiefer die Vermessung, die Selbstentblößung und die Menge der gesammelten Daten sich gestaltet, um so größer werden die real existierenden Unterschiede zwischen den Individuen sein.

Christoph Kucklick untersucht in seinem Buch "Die granulare Gesellschaft" den Auflösungsprozess der Wirklichkeit. Je präziser die Daten über den Einzelnen sind, desto mehr schält sich eine neue Welt heraus, die, im besten Fall, für eine optimale, auf das Einzelbild einer Krankheit abzielende Behandlung sorgen kann, im schlechtesten Fall jedoch für eine sich auseinander dividierende Gesellschaft verantwortlich ist.

Unaufgeregt und fundiert berichtet der Autor über die Gefahren und Vorteile der digitalen Vermessung, wobei ein leichter Optimismus hinsichtlich einer Neuerfindung des Individuums vorherrscht. Eines ist jedoch bereits heute klar, die Welt einer gar nicht so weit entfernten Zukunft wird eine radikal andere sein, als die, in der wir leben.

Die spannende Frage wird sein, welche Algorithmen für die Ergebnisse verantwortlich sein werden. Denn eines darf man nicht aus den Augen verlieren, immer sind es Menschen, die hinter den digitalen Vermessungsprogrammen und deren Auswertung stehen. Und die sind sind nun mal - menschlich, allzu menschlich - parteiisch und bestechlich.




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Veröffentlicht am 1. März 2015