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Buchkritik -- Rachel Kushner -- See der Schöpfung

Umschlagfoto, Buchkritik, Rachel Kushner, See der Schöpfung, InKulturA „See der Schöpfung“ von Rachel Kushner präsentiert sich als ein Spionageroman, der jedoch in seiner Ausführung oft hinter den Erwartungen zurückbleibt und letztlich an seinen eigenen, zuweilen überambitionierten Zielen scheitert. Das Buch ist weniger ein fesselnder Thriller als vielmehr eine intellektuelle Übung, die den Leser mit einer Reihe von Frustrationen zurücklässt.

Im Zentrum der Erzählung steht Sadie Smith, eine Protagonistin, deren Glaubwürdigkeit von Anfang an auf wackligen Füßen steht. Ihre Rolle als ehemalige Agentin, die eine Gruppe von Umweltaktivisten infiltrieren soll, wirkt oft konstruiert und wenig überzeugend. Sadie ist eine Ich-Erzählerin, die sich durch eine fast schon karikaturhafte Unzuverlässigkeit auszeichnet. Ihre übertriebene Selbstwahrnehmung und die Art und Weise, wie sie ihre Umgebung und die Menschen darin wahrnimmt, erzeugen eine Distanz, die es dem Leser schwer macht, eine echte Verbindung zu ihr aufzubauen oder gar Sympathie zu empfinden. Die Beziehungen, die sie im Laufe der Geschichte eingeht, wirken oft oberflächlich und künstlich, als wären sie lediglich Mittel zum Zweck, ohne tiefere emotionale Resonanz. Hinzu kommt eine sprachliche Ungeschicklichkeit in Sadies Stimme, die sich in seltsamen Formulierungen äußert und die Illusion einer authentischen Erzählung immer wieder stört. Diese stilistischen Entscheidungen tragen dazu bei, dass die Charaktere und ihre Interaktionen oft hölzern und wenig lebensecht wirken.

Die Struktur des Romans ist ein weiterer Punkt, der das Leseerlebnis erheblich beeinträchtigt. Anstatt einer stringenten Handlung präsentiert Kushner eine Mischung aus Vignetten, eigenständigen Kurzessays und philosophischen Betrachtungen. Dies führt zu einer fragmentierten Erzählweise, die den Fluss der Geschichte immer wieder unterbricht. Der Leser wird von einem Gedankensprung zum nächsten geworfen, ohne dass sich ein klarer, durchgehender Erzählfaden entwickeln kann. Was als innovative Form gedacht sein mag, wirkt in der Praxis oft wenig zusammenhängend und ermüdend. Es fehlt an einer kohärenten narrativen Entwicklung, die den Leser fesseln und vorantreiben könnte.

Besonders störend sind die ausgedehnten philosophischen Exkurse, die sich mit Themen wie den Neandertalern, der Evolution der Menschheit und der Zivilisationskritik beschäftigen. Während diese Passagen intellektuell anregend sein mögen und die Tiefe von Kushners Recherche belegen, stehen sie oft im krassen Gegensatz zur eigentlichen Spionagehandlung. Sie bremsen das Tempo des Romans erheblich und lenken vom Plot ab, anstatt ihn zu bereichern. Leser, die einen spannenden Spionagethriller erwarten, werden sich hier schnell verloren fühlen, da die intellektuellen Abschweifungen die Handlung in den Hintergrund drängen und das Buch zu einer Art philosophischem Traktat mit Spionage-Elementen machen. Die Balance zwischen Genre-Konventionen und intellektueller Tiefe ist hier nicht gelungen.

Am Ende hinterlässt „See der Schöpfung“ ein Gefühl der Unvollständigkeit. Es bietet zwar zahlreiche Denkansätze und regt zum Nachdenken an, liefert aber kaum eine befriedigende Lösung oder einen klaren Abschluss der Geschichte. Für Leser, die eine Auflösung der Konflikte oder eine Entwicklung der Charaktere erwarten, kann dies enttäuschend sein. Der Roman polarisiert stark, und es ist leicht nachvollziehbar, warum er bei vielen Lesern und Kritikern auf geteilte Meinungen stößt. Seine Schwächen in der Charakterzeichnung, der fragmentierten Erzählweise und der mangelnden narrativen Kohärenz sind nicht zu übersehen und verhindern, dass er sein volles Potenzial entfalten kann.




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Veröffentlicht am 27. Juni 2025