Jaron Lanier -- Zehn Gründe, warum du deine Social Media Accounts sofort löschen musst

Umschlagfoto, Buchkritik, Jaron Lanier, Zehn Gründe, warum du deine Social Media Accounts sofort löschen musst, InKulturA Hilfe, Bildungskatastrophe auch in den USA. Wer Verträge unterschreibt, in diesem Fall Nutzungsbedingungen akzeptiert, ohne sie gelesen zu haben, der hat irgendwann einmal schlechte. ganz schlechte Karten. Die sog. "sozialen Medien" wie Facebook, Twitter, WhatsApp, etc. stellen den Nutzern Dienstleitungen gratis zur Verfügung, freilich um den Preis der nahezu vollständigen Transparenz der User. Jeder, hätte er denn die Geschäftsbedingungen zur Kenntnis genommen, ist (theoretisch) darüber informiert und kann sich entscheiden, ob er den Internetriesen seine Daten anvertraut, in der vagen Hoffnung - noch einmal, in den Nutzungsbedingungen steht klipp und klar, dass der Nutzer von Social Media eigentlich gar keine Rechte an seinen Daten besitzt – dass diese mit den privaten Informationen pfleglich umgehen.

Na ja, hereingefallen. Zumindest diejenigen, denen die Fähigkeit zu verstehendem Lesen irgendwie abhanden gekommen ist, oder die sie niemals besessen haben. Social Media ist (inzwischen) dein Feind, so sieht es zumindest Jaron Lanier, "Internetpionier der ersten Stunde und (er) prägte Begriffe wie Virtual Reality oder Avatar", so der Verlag Hoffmann und Campe, bei dem seine Streitschrift "Zehn Gründe, warum du deine Social Media Accounts sofort löschen musst" erschienen ist.

Ich gebe unumwunden zu, dass mir Menschen zutiefst suspekt sich, die sich von Paulus zu Saulus verwandeln, sprich, jetzt genau das Gegenteil von dem machen und fordern, was sie in der Vergangenheit in die Wege geleitet haben. Ohne Frage, die digitale Welt hat die Gesellschaften tiefgreifend verändert. Jeder hat jetzt die Gelegenheit sein eigener Redakteur, sein eigener politische Analytiker und sein eigener Weltverbesserer-Guru zu sein. Das Netz macht es möglich, jede noch zu krude Theorie einem nach Sensationen, Dummheiten und sonstigen Nonsens lechzenden Publikum zu präsentieren.

Ohne Frage nimmt auch der gegenseitige Hass und die Bereitschaft zu verbalen Attacken zu, ebenso wie die Intoleranz von Gruppen, die, in ihrer eigenen Filterblase lebend, jegliche Diskussionen verweigern und sich selbst für den Nabel der Welt, besser gesagt des Netzes halten. Soweit kann man der Kritik Laniers an den sozialen Medien, welche die Plattformen für all die Trolle darstellen nachvollziehen.

Doch schnell stellt sich heraus, dass der Autor im Grunde ein Trump-Bashing veranstaltet, denn es wimmelt nur so von, Originalton Jaron Lanier, Arschlöchern, die sich daran machen, andere zu manipulieren, u.a. natürlich auch die Russen, die mal eben den letzten US-amerikanischen Wahlkampf gekapert haben. Es lebt eben jeder, auch Lanier, in seiner eigenen Filterblase.

Was wären Amerikaner ohne ihre markigen Abkürzungen. BUMMER, der Kampfbegriff des Autors, steht dann auch für die Abgründe der sozialen Medien, die im Interesse fremder Mächte und dunkler Kanäle das Leben der User manipulieren. "Behaviors of Users Modified, and Made into an Empire for Rent", übersetzt etwa "Verhaltensweisen von Nutzern, die verändert und zu einem Imperium gemacht wurden, das jedermann mieten kann." Boa äh, wirklich?

Ein kurzer Blick in das Inhaltsverzeichnis: "Social Media macht dich unglücklich", "Social Media tötet dein Mitgefühl", "Social Media macht Politik unmöglich" und "Social Media macht dich zum Arschloch". Seine Zielgruppe ist ohne Frage die Masse derjenigen, die Opfer der Bildungskatastrophe sind. Kurze plakative Sätze, immer an die 2. Person Singular gerichtet - warum duzt der mich eigentlich permanent? - und bis zum Erbrechen BUMMER, das für all das verantwortlich sein soll.

Zugegeben, Arschlöcher, ich begebe mich mal auf Laniers Niveau, scheinen sich rasant zu vermehren, doch das ist nicht die Schuld von Social Media, sondern schlicht und ergreifend Erziehungsversagen. Die digitalen Plattformen schaffen nun mal keine A., sondern legen nur den dünnen Firnis der Zivilisation frei, der immer unter der Oberfläche menschlicher Existenz lauert. Nicht Waffen töten, sondern der Mensch, der sie abfeuert.

Lanier unternimmt einen eklektischen Streifzug durch Philosophie, Sozialwissenschaft, Wirtschaft und Politik, um seine manchmal etwas sehr platten Überzeugungen zu untermauern. Der Arabische Frühling als Twitter-Revolution? Geht´s auch ein bisschen kleiner? Hinter den sog. Revolutionen im arabischen Raum standen ganz andere Interessen und Mächte als die vagen Ziele von ein paar Usern digitaler Medien.

Jaron Lanier verkürzt oft und gern, denn eine tiefere Auseinandersetzung mit den Problemen, die ohne Frage durch die Nutzung von sozialen Medien entstehen, geht der Autor erst gar nicht ein, denn dann müsste er ja zugeben, dass die User diese zum großen Teil selbst zu verantworten haben. Das kommt dabei heraus, wenn man zu schnell den Akzeptieren-Button drückt, ohne die Regeln gelesen und verstanden zu haben.

Wer, um ein Beispiel zu gebrauchen, des Nachts unbekleidet, in der einen Hand den Reisepass, in der anderen ein Bündel Geldscheine, am Hauptbahnhof einer Großstadt flaniert, der darf sich nicht wundern, wenn er von bösen Buben oder Mädchen g... wird.




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Veröffentlicht am 15. Juli 2018