Buchkritik -- Björn Larsson -- Träume am Ufer des Meeres

Umschlagfoto  -- Björn Larsson  --  Träume am Ufer des Meeres Vier Menschen begegnen in verschiedenen Häfen einem rätselhaften Kapitän namens Marcel. Diese Begegnung wird für alle von ihnen Folgen haben. Aufgeschreckt aus ihrem bisherigen, nicht gerade glücklich verlaufenem Leben, sehen sie in der Begegnung mit Marcel eine Gelegenheit, um ihrem Leben eine andere Wendung zu geben.

Die Kellnerin Rosa Moreno aus dem spanischen Villagarcia erwartet ein Kind von Marcel. Die französische Witwe LeGrand führt nach dem Selbstmord ihres Mannes ein Archiv über alle die Seeleute, welche in den kleinen Hafen ihres Wohnortes kommen und die sie kennengelernt hat. In Irland ist es der Juwelier Peter Sympson, der außer seinen Steinen nichts und niemanden hat, auf den der Kapitän einen großen Eindruck macht. In Dänemark schließlich lernt Marcel den Informatiker Jacob Nielsen kennen, der zwar wie ein Besessener das Internet benutzt, doch im realen Leben sogar den Kontakt zu seinen Söhnen verloren hat.

Alle vier machen sich eines Tages unabhängig voneinander auf den Weg nach Kinsale, um dort wieder mit Marcel zusammenzutreffen. Allen gemeinsam ist die Tatsache, das es ihnen mit diesem ersten Schritt schon gelungen ist, ihr bisheriges Leben hinter sich zu lassen, gleichsam ihren Kokon aus Einsamkeit und Verzweiflung aufzubrechen und ein anderes Leben zu wagen. Vorerst jedoch noch geklammert an die Person des Marcel, gelingt es ihnen immer mehr, ihren eigenen Weg zu gehen.

Björn Larsson hat einen einfühlsamen und sensiblen Roman zum Thema Einsamkeit geschrieben. Durch einen äußeren Einfluß, hier die Begegnung mit dem Kapitän Marcel, gelingt es ihnen, ihr bisheriges Leben zu überdenken und einen neuen Anfang zu suchen. Marcel, der von ihrem Besuch nichts ahnt, ist sich der Tragweite dessen zuerst nicht bewußt und so behandelt er die vier mit abweisender Freundlichkeit. Die vier werden schnell mit der Tatsache konfrontiert, das für Marcel jeder Besuch in einem fremden Hafen zwar eine nette Abwechslung darstellt, er ihn jedoch auch immer wieder schnell vergißt. Diese Erkenntnis ist zwar schmerzhaft, doch erst durch sie gelingt es den vier Personen endgültig, sich von ihrem bisherigen Leben zu trennen und ein neues zu wagen.

Larsson beschreibt diesen wichtigen ersten Schritt auf dem Weg einer Veränderung. Angeregt durch einen von außen kommenden Katalysator beginnt die Reflektion über das Gewesene. Schnell stellt sich dann die Frage nach dem Zukünftigen. Ist beides Deckungsgleich, dann kommt die Frustration und die Bewußtwerdung der Einsamkeit. Danach stellt sich dann die Frage nach dem "Was nun?". Weil aber die Antwort auf diese Frage so wichtig ist, steht sie für den Autor hier im Mittelpunkt. Weshalb bin ich in dieser oder jener Situation und wie lange halte ich mich in ihr schon auf? Kann und will ich etwas ändern und habe ich auch die Kraft und den Willen dazu?

Mögen die meisten an diesem Punkt scheitern und aus Angst, Furcht oder sonstigen (fadenscheinigen?) Gründen zukünftig so weiterleben wie bisher, den vier Personen des Romans gelingt dieser erste Schritt und sie gehen ihn mit begründeten Zweifeln. Alle ihre Hoffnungen, die aus jeweils unterschiedlichen Motiven bestehen, im Mittelpunkt jedoch immer die Person des Marcel steht, werden schnell zerstört. Erst jetzt gelingt es ihnen sich wirklich von ihrem bisherigen Leben zu distanzieren und ein anderes zu wagen.

Marcel wird nie erfahren das er der Vater des Kindes ist, das Rosa Moreno in sich trägt. Jacob Nielsen und Madame LeGrand werden gemeinsam das Archiv der Seeleute betreuen. Rosa Moreno wird mit den Juwelier Peter Simpson zusammenarbeiten. Den beiden Paaren obliegt die Gestaltung der Zukunft, dem ersten durch die Bewahrung des Vergangenen mit Hilfe eines weltweit zu lesenden Archivs über Seeleute, dem anderen unmittelbar durch das Kind, welches Rosa erwartet.

Und Marcel? Er, der für die vier der eigentliche Ausgangspunkt der Veränderung war, ist selber merkwürdig lethargisch wenn es um sein eigenes Leben geht. Konfrontiert mit den Ergebnissen seiner Landgänge, erscheint er auf einmal als unfähig, sein selbst gewähltes Leben weiter zu leben. Im Gegenteil, er ist bestrebt sich von den Menschen zu entfernen. Er, der für andere eine nicht zu beschreibende, aber nichtsdestoweniger positive Ausstrahlung besitzt, scheitert selber an der zwischenmenschlichen Nähe.

Er mustert von Bord seine Schiffes ab und beginnt auf einer Segeljolle eine Reise ins Ungewisse. Auch er hat zwar eine Entscheidung getroffen, doch sie wird ihn nur noch näher an seine eigene Einsamkeit bringen. Wer weiß, vielleicht begegnet auch er einmal einem Kapitän wie Marcel?




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