Buchkritik -- Dieter Lüst -- Quantenfische

Umschlagfoto  -- Dieter Lüst Nur wenige Fragen sind so spannend und warten auf eine endgültige Klärung, wie die Frage nach den letzten Gründen unserer Existenz, dem Ursprung und dem Ziel des Universums und den Bestandteilen dessen, was uns lieb und teuer ist. Ist das Universum festgelegt, bzw. ist sein Zustand determiniert und damit auch unser Schicksal ein für alle Mal festgelegt oder leben wir, unsere Galaxie und das gesamte uns bekannte Universum in einem Zustand der fortwährenden Entwicklung? Nachdem sowohl die Religion als auch die Philosophie sich als ungeeignet erwiesen haben, diese Fragen befriedigend zu beantworten, hat die Naturwissenschaft, genauer gesagt, die Teilchenforschung und die Quantenmechanik diese Aufgabe übernommen.

Dieter Lüst, Leiter des Arnold-Sommerfeld-Instituts für theoretische Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität und Direktor am Max-Planck-Institut für Physik in München und einer einer der führenden Stringtheoretiker in Deutschland, hat ein Buch veröffentlicht, in dem er die Meinung vertritt, dass die Zusammenführung von Quantenmechanik und allgemeiner Relativitätstheorie in Form der Stringtheorie die aktuell beste Kandidatin für die Klärung der anstehenden Fragen ist.

Ausgangspunkt seiner Ausführungen, die den Leser auf den aktuellen Stand der Forschung bringen, sind die Quantenfische in einem Fischteich. Anfänglich zufrieden mit sich und ihrer bestens an sie angepassten Umgebung, stellen sich einige der Fische bald Fragen bezüglich ihrer Lebenswelt. Warum ist z. B. der Sauerstoffgehalt genau so, wie sie ihn brauchen? Einige Forscher-Fischer sind der Meinung, dass es anderswo ebenfalls Fischteiche geben könnte, die jedoch andere Lebensbedingungen (Parameter) besitzen. Zuerst wird diese Meinung von ihren Mitfischen für absurd gehalten. Als jedoch der Sauerstoffgehalt ihres Teiches absinkt, können sie mithilfe der Theorien ihrer Forscher-Fische sich in einen anderen Teich retten.

Diese etwas blumige Einführung ist der Ausgangspunkt für Dieter Lüst, um in seinem Buch Quantenfische dem Leser die Bedeutung der Stringtheorie in Bezug auf eine mögliche "Weltformel" zu erläutern. Die Quantengravitation soll eine vereinheitlichte Beschreibung der starken, schwachen und elektromagnetischen Wechselwirkungen im Zusammenspiel mit der Gravitation ermöglichen. Diese vier elementaren physikalischen Kräfte sollen auf ein Grundprinzip zurückgeführt werden.

Nun ist die Stringtheorie alles andere als wissenschaftlich unbestritten und der Grund für erregte Diskussionen nicht nur unter Naturwissenschaftlern. Der wesentliche Grund dafür ist die theoretische Existenz von multiplen Universen, die bei einer Anwendung der Stringtheorie möglich wären. Das wirft natürlich Fragen auf, die weit über die naturwissenschaftliche Relevanz hinausreichen.

Analog zu den am Anfang des Buches beschriebenen Fischteichen würde es unzählige Universen geben, die möglicherweise jeweils vollkommen andere Parameter aufweisen könnten, als "unsere" Welt sie liefert. Diese Uneindeutigkeit der Naturgesetze wäre in der Tat ein harten Brocken für das Selbstbild des Menschen. Bislang von seiner Einzigartigkeit überzeugt, wäre er dann nur noch ein Bläschen im Schaum der Quantenmöglichkeiten. Die Implikationen der Stringtheorie, bzw. der fällige Paradigmenwechsel bei Bestätigung der bislang ausschließlich theoretischen Annahmen wäre auch in Ansätzen gar nicht auszumalen.

Dieter Lüst hat ein Buch geschrieben, das seine Leser mitnimmt auf eine spannende Reise in die Welt der möglichen Letztbegründung des Universums. Über die Relativitätstheorie zum Teilchenzoo hin zur Quantengravitation und Stringtheorie ist es dem Autor gelungen, den aktuellen Stand der (theoretischen) Forschung einem großen Lesepublikum nahezubringen. Das geht natürlich nicht ohne mathematische und physikalische Formeln. Doch keine Angst, Dieter Lüst versteht es, die schwierige Materie lese- und verständnisgerecht aufzubereiten, sodass auch ein wissenschaftlicher Laie das Buch mit Gewinn lesen kann.




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