Buchkritik -- Meinhard Miegel -- Die deformierte Gesellschaft

Umschlagfoto  -- Meinhard Miegel  --  Die deformierte Gesellschaft Die Diskussion über die Sicherheit des Sozialstaates, seine Leistungsfähigkeit und die dadurch entstehenden Kosten können nicht mehr verhindert werden. Die Einführung der "Riester-Rente" zeigt, das die jahrelangen hohlen Sprüche über die Sicherheit der Renten nur Makulatur gewesen sind. Meinhard Miegel legt in seinem Buch Die deformierte Gesellschaft einen Bericht über den Zustand unseres Sozialsystems dar. Herausgekommen ist eine vernichtende Bilanz der deutschen Realität.

Auf drei wesentliche Punkte beschränkt Miegel seine Untersuchung: Die demographische Entwicklung, den Wandel der Arbeitswelt und die Kosten der sozialen Systeme. Er wirft sowohl der Politik als auch den Gewerkschaften und Unternehmern totales Versagen vor. Jahrzehnte hinweg wurde nicht das notwendige getan, um ein den veränderten Bedingungen angepaßtes Sozialsystem zu schaffen. Dem Bürger wurde vorgegaukelt, das die bestehenden Systeme als immerwährende Wahrheiten Bestand haben würden. Miegel kritisiert in diesem Sinn die Entmündigung des Menschen, der sich, anstatt eigene Vorsorge zu betreiben, in einem staatlisches Netz der Bevormundungen gefangen sieht, aus dem lange kein Entkommen möglich war.

Diese falsche Sicherheit in der sich die Bürger gesehen haben, hat zunehmend keinen Bestand mehr. Rentenversicherung, Krankenversicherung, Arbeitslosengeld und Sozialhilfe stehen auf dem Prüfstand. Miegel führt zum Beweis seiner Thesen umfangreiches Zahlenmaterial an. Den Leser überkommt mehr als einmal die Wut wenn er sieht, wie es die Politik bisher verstanden hat die Wahrheit zu verschleiern. Für den Autor ist es an der Zeit, das Wirken des Sozialstaates einer kritischen Prüfung zu unterziehen und auch den Bürger zu mehr Selbstverantwortung zu bringen.

Miegels Buch ist ein Rundumschlag gegen die Versorgungsmentalität des Staates, aber auch gegen das Anspruchsdenken vieler seiner Bürger. Hat es doch die Politik verstanden, mit großzügigen Alimentierungen den Bürger zu verwöhnen. Erinnern wir uns an die Wahlkämpfe der vergangenen Jahre. Gewonnen hat die Wahl immer diejenige Partei, welche die größten finanziellen Versprechungen gemacht hatte. Diese Zeiten sind endgültig vorbei, denn dem Staat fehlt das Geld.

Doch auch jetzt noch fehlt den Politikern und allen anderen gesellschaftlich relevanten Institutionen wie z. B. Kirchen und Gewerkschaften der Mut oder schlimmer noch, die Einsicht in die Notwendigkeit eines Wandels. Nicht zuletzt aus dem Grund des eigenen Macht- und Postenerhalts. Konzepte für die Zukunft fehlen und anstelle dessen werden "Schattendiskussionen" über den Zuzug von Flüchtlingen aus Gründen geschlechtsspezifischer Verfolgung geführt. All das geht an den Problemen der Zukunft meilenweit vorbei.

Meinhard Miegel plädiert dafür, den Bürger aus der staatlichen Zwangsjacke der Rundumversorgung zu entlassen und ihm die Fähigkeit der Selbstverantwortung zurückzugeben. Man muß nicht mit allen seinen Thesen und Theorien übereinstimmen, doch dort wo er Zahlenmaterial vorlegt, kann ihm schlecht wiedersprochen werden. Die dort genannten Zusammenhänge sind logisch und nachvollziehbar.

Weniger überzeugend ist sein Konzept gegen die Arbeitslosigkeit. Da ist die Rede von der Notwendigkeit einer Gesellschaft der Arbeitgeber. Das ist insofern richtig, als jede in Auftrag gegebene Dienstleistung der Volkswirtschaft zugute kommt. Richtig ist auch, das die Schwarzarbeit enorme Dimensionen angenommen hat. Doch stellt sie nicht eher die letzte Fluchtmöglichkeit eines finanziell schon unerträglich belasteten Bürgers dar?

Leider klammert Miegel auch die Machenschaften der transnationalen Konzerne vollkommen aus. Sein Augenmerk gilt nur dem einzelnen Staat, in diesem Fall Deutschland. Schon längst hat nicht mehr die Politik das Ruder in der Hand, sondern undurchschaubare Firmen- und Finanzkonglomerate. Solange sich Konzerne wie Daimler-Chrysler damit brüsten können, in Deutschland keine Steuern zu bezahlen, solange wird auch der normale Bürger sich seinen Anteil vom immer kleiner werdenden Kuchen der Staatsalimentierung nehmen.

Der Grundthese Miegels ist zuzustimmen: Das Sozialsystem ist nicht mehr finanzierbar und bedarf einer grundlegenden Reform. Seinen Aussagen sowohl über das Versagen der Politik, als auch anderer Institutionen kann ebenfalls zugestimmt werden. Doch auch der Bürger ist in der Verantwortung. Der Staat kann nicht länger als Versorgungsanstalt verstanden werden, die alle Eventualitäten des menschlichen Lebens absichert. Eigen- und Selbstverantwortung müßen anstelle dessen gesetzt werden. Dieses Buch gibt brauchbare Ratschäge, aufgrund deren es gelingen kann Deutschland zur Lösung der bevorstehenden Probleme zu befähigen.




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