Buchkritik -- Gerhard Köpf -- Die Legende von Montecassino

Umschlagfoto, Buchkritik, Gerhard Köpf, Die Legende von Montecassino, InKulturA Gibt es so etwas wie historische Wahrheit, die über die nachweisbaren Daten von Ort, Zeit, Beteiligten und Ergebnissen hinausgeht oder ist jede Diskussion darüber eine Angelegenheit des politischen Standpunkts? Wie sich also einer historischen Tatsache nähern, die immer wieder Anlass zu Spekulationen liefert?

Das Benediktinerkloster Montecassino wurde im Februar 1944 durch einen Luftangriff der US-amerikanischen Air Force vollständig zerstört. Soweit der historische Fakt. Die in dieser Abtei verwahrten Kunstschätze wurden vorher von der Deutschen Wehrmacht in den Vatikanstaat überführt. Hier setzt die bis heute schwelende Frage an, ob es sich dabei um einen Kunstraub oder die Rettung unersetzbarer Kulturgüter gehandelt hat.

Gerhard Köpf unternimmt den gelungenen Versuch, sich dieses Themas literarisch-fiktiv zu nähern und lässt in Gestalt des Pater Remo, ein alter Mönch und einer der wenigen noch lebenden Zeitzeugen, einem Journalisten seine Version der Ereignisse um die Rettung der Kunstwerke und die daran Beteiligten und deren Motive erzählen.

Einige der Personen sind historisch verbürgte, andere der Phantasie des Autors entsprungen. Im Verlauf des sich über sieben Tage hinziehenden Interviews – die einzige Bedingung Pater Remos ist der Verzicht auf Unterbrechungen und Nachfragen – drängt sich neben dessen Schilderungen sukzessive die Frage nach historischer Authentizität, nach der Zuverlässigkeit der Informationen und deren, wenn nicht Verzerrung, so doch, geschuldet der zeitlichen Distanz zwischen Erlebtem und Erinnerten, Rezeption.

Rückblickend erscheinen Dinge in einem anderen Licht, gefärbt nicht zuletzt durch Gedächtnislücken und persönliche Erlebnisse. Insofern ist das, was den Anspruch auf historische Wahrheit erhebt, ausschließlich eine Frage des individuellen Blickwinkels. Aus diesem Grund wird die „Legende von Montecassino“ immer weiterbestehen.




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Veröffentlicht am 22. November 2021