Buchkritik -- Martin Mosebach -- Die 21

Umschlagfoto, Buchkritik,  Martin Mosebach, Die 21, Eine Reise ins Land der koptischen Martyrer InKulturA In einer Zeit, in der Säkularismus als Euphemismus für den Kampf gegen den Glauben steht, in der, so zumindest in der evangelischen Kirche, religiöse Inhalte, Seelsorge und christliche Gemeindearbeit vernachlässigt werden und anstelle deren politische Arbeit und nicht selten Agitation auf der Kirchenagenda stehen, ist es ein Wagnis, ein Buch zu veröffentlichen, das sich dem Martyrium, dem Wahrnehmen von Wundern, einem fest verankerten Glauben und die Bereitschaft, für eben diese Überzeugung zu sterben widmet.

Martin Mosebach hat ein Buch geschrieben, das den 21 Männer gewidmet ist, die am 15. Februar 2015 am libyschen Strand von ihren schwarz vermummten IS-Henkern hingerichtet wurden. Zwanzig von ihnen stammen aus dem oberägyptischen Dorf El-Goreb, der 21. ist ein sich ebenfalls zum Christentum bekennender Ghanaer. Zusammen waren sie in Libyen um dort als Arbeiter den Lebensunterhalt für ihre in der Heimat gebliebenen Familien zu verdienen.

Die Getöteten waren Kopten, deren Anteil an der ägyptischen Bevölkerung bei ca. zehn Prozent liegt, zu viel also, um ausgelöscht zu werden, zu wenig, um sich erfolgreich dagegen zur Wehr zu setzten. Mosebach hat sich auf die Spurensuche dieser Männer begeben, ihre Familien besucht, deren Umfeld und Einbettung und ihr Leben mit und für die koptische Liturgie, die authentischste des Christentums, nachgezeichnet.

Es ist ein ruhiges und unaufgeregtes Buch, das sich nicht scheut, gegen den Zeitgeist der westlichen Welt geschrieben zu sein. Wer will im konsumorientierten und hedonistischen Europa etwas über Martyrium und Glaubensstärke hören, wenn sogar ein Vertreter der Kirche, der Landesbischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandburg-schlesische Oberlausitz, Markus Dröge, verlauten lässt, dass ihr Märtyrertod etwas sei, "...das man nicht dramatisieren sollte!"

Es ist eine einfache, bäuerlich geprägte Welt, in der die aus El-Goreb stammenden Männer, der Mann aus Ghana dürfte aus ähnlichen Verhältnissen stammen, groß geworden sind. Familiäre und religiöse Traditionen bestimmten deren Leben. Der koptische Ritus als wesentlicher Bestandteil der persönlichen Identität war Dreh- und Angelpunkt des dörflichen Geschehens.

Martin Mosebach sieht, hört und beschreibt eine Welt, deren Glaubensstärke noch jeder Verfolgung widerstanden hat und die aktuell unter besonderem politischen Schutz der ägyptischen Regierung steht. Sein Werk ist ein Reisetagebuch der besonderen Art und die Würdigung und Bewunderung für eine christliche Kultur, die sich nicht im religiösen Tagesgeschäft verliert, sondern einen festen Bestandteil des Lebens darstellt.

Doch auch der Autor weiß um die Verlockungen des sog. modernen Lebens mit seinen klimatisierten Verkaufstempeln, in denen Versuchung stets kommerziell und werbetechnisch definiert wird. Über und hinter allem steht die drängende, die alles entscheidende Frage: Wäre ich bereit für meinen Glauben zu sterben? Mosebach lässt sie in Gestalt des Beschwörers und des Bezweiflers, die Vertreter des Für und Wider, zu Wort kommen:

Der Bezweifler: "Also wenn es mir das Leben rettet, würde ich jederzeit beschwören, dass zwei und zwei fünf ergibt."

Der Beschwörer: "Aber die 21 sollten eben nicht bestreiten, dass zwei und zwei vier ist. Die Wahrheit des Christentums ist keine mathematische Formel."

Der Bezweifler: "Wahrheit, wenn ich das schon höre ..."

Eine Frage drängt sich dem Leser unwillkürlich, jedoch mit zunehmender Intensität auf: Ist der Märtyrer-Kult nicht auch gleichzeitig der Grundstein für religiöse Gewalt, die, wären die Mehrheitsverhältnisse in Ägypten umgekehrt, neunzig Prozent Kopten und 10 Prozent Muslime, vielleicht längst zum Ausbruch gekommen wäre?




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Veröffentlicht am 20. März 2018