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Buchkritik -- Jan Weiler -- Munk

Umschlagfoto, Buchkritik, Jan Weiler, Munk, InKulturA Peter Munk, ein gefeierter Architekt von Weltrang, 51 Jahre alt – und damit genau im Zenit der Weisheit, wo Lebenserfahrung, berufliche Erfolge und ein wenig Altersstarrsinn ein perfektes Trio bilden –, erlebt einen jener ironischen Wendepunkte, die das Leben für die allzu Selbstsicheren bereithält. Auf der Rolltreppe eines Kaufhauses, ein Ort der Alltäglichkeit, die Peter doch so verachtet, ereilt ihn ein Herzinfarkt. Doch, wie könnte es auch anders sein, auf der aufwärts führenden Seite. Ein passendes Bild für das, was folgt: eine glamouröse Operation und eine luxuriöse Genesung in einem Sanatorium, das nicht etwa für den Durchschnittsbürger, sondern für jene eingerichtet ist, die sich – wie Munk selbst – gern für den Nabel der Welt halten und für den Rest der Menschheit nur wenig schmeichelhafte Worte übrig haben.

„Aufwärts durch Rückschau“ lautet die Therapieempfehlung seines Psychologen, der von seinem Patienten verlangt, sein Leben und sein Lieben – oder was er für beides hält – Revue passieren zu lassen. Ein Lebenswerk in Gedanken, das nicht nur architektonische Meisterwerke umfasst, sondern auch zwischenmenschliche Katastrophen, deren Fundament wackliger nicht sein könnte.

Da wäre sein Vater, ebenfalls Architekt, aber im Gegensatz zum stylischen Munk ein Schöpfer seelenloser Betonmonumente, die in Peter nichts als Verachtung hervorrufen. Dieser alte Herr ist nicht nur die Quelle beruflicher Abgrenzung, sondern auch ein entscheidendes Puzzleteil in der psychologischen Selbstdemontage, die Peter nun betreiben muss. Und dann, nicht zu vergessen, die Frauen, jene geheimnisvollen Wesen, die Munk als prägende Kräfte in seinem Leben betrachtet, auch wenn er in seiner ästhetischen Einsamkeit nie wirklich begriffen hat, was sie von ihm wollten.

Eine Retrospektive also, die uns, vor allem den männlichen Lesern, durchaus Vergnügen bereiten könnte. Schließlich lauert hinter jeder Erinnerung ein weiteres „Was wäre gewesen, wenn?“, und Munk, der Stararchitekt, der in seiner beruflichen Sphäre gottgleich über allem schwebt, entpuppt sich im Privaten als ein einsamer Wanderer auf der Suche – ja, nach was eigentlich? Stil? Schönheit? Vollkommenheit? Oder schlichtweg nach etwas, das länger hält als seine brüchigen Affären?

In seinen Beziehungen zum anderen Geschlecht zeigt sich Munk nämlich erstaunlich ungeschickt. Ob die schwärmerische Liaison mit einer jungen Praktikantin oder die eher bodenständige Beziehung zu einer Verkäuferin – Munk stolpert von einer emotionalen Misere zur nächsten. Kein Wunder, dass der gemeinsame Urlaub mit einer vermeintlich geliebten Frau, zweifache Mutter und Königin des praktischen Alltags, im Desaster endet. Jeder Leser – vor allem der männliche – hätte es ihm vorher sagen können: Gegen zwei halbwüchsige Jungs hat ein einsamer Peter keine Chance. Die Kinder sind immer Priorität eins, und dann, mit großem Abstand, kommt der Mann, der sich selbst stets für den Mittelpunkt des Universums hielt. Tja, wieder einmal Pech gehabt, Herr Munk.

Wie formuliert der Autor Peters Pech was die Frauen angeht so treffend: „Er nahm sich drei Tage Zeit für innere Konsultationen, dann schrieb er Penelope endlich eine Nachricht. Er dachte sehr intensiv über den Text nach und formulierte dann ausgewogen und nicht zu emotional, aber auch nicht langweilig. Er schrieb: »Hi.«“

Sätze wie dieser sind ein Grund, diesen Roman zu genießen. Mit viel Witz und bissigen Kommentaren über die „gute Gesellschaft“ skizziert Jan Weiler die Irrungen und Wirrungen eines Mannes auf der Suche nach einer Beziehung, die so solide und ästhetisch ist wie die von Munk entworfenen Bauwerke. Ob diese Suche jedoch von Erfolg gekrönt ist? Nun, das muss der Leser selbst entscheiden, nachdem er eine durchweg stimmige, mit Humor und Tragik gespickte Lektüre hinter sich hat.




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Veröffentlicht am 24. Oktober 2024