Buchkritik -- Douglas Murray -- Der Wahnsinn der Massen

Umschlagfoto, Buchkritik, Douglas Murray, Der Wahnsinn der Massen, InKulturA Wenn absurde, in akademischen Biotops geführte Diskussionen um pseudo-gesellschaftliche Probleme und Missstände aus diesen Milieus ausbrechen und durch politische Transformationen die Mitte der Gesellschaft erreichen, ist Alarmstufe Rot angesagt, denn die Diskurse um angebliche Benachteiligungen von kleinen und kleinsten Interessengruppen haben das Zeug zur Destabilisierung und Zersplitterung der Gesellschaft.

Nach dem sich die Großerzählungen des 19. und 20. Jahrhunderts als falsch erwiesen haben, Kommunismus, Nationalsozialismus, Kapitalismus und (Neo)Liberalismus die von ihnen versprochenen Paradiese nicht geschaffen haben, sondern, jeder *ismus auf seine Weise die Hölle auf Erden errichtete hatte, ist das 21. Jahrhundert eines, das in Verwirrung, Gruppenegoismus und Verabsolutierung des Individuums gestrandet zu sein scheint.

Douglas Murray spricht in seinem Buch „Der Wahnsinn der Massen“ nicht zu Unrecht von neuen Kulturkriegen, die im Namen der sozialen Gerechtigkeit geführt werden und die längst gelöste Probleme oder solche, deren Lösung zumindest kurz bevor steht, durch die Erfindung immer neuer Opfergruppen anzufeuern. Waren viele von uns der Meinung, dass Homosexuelle und Frauen ihre Kämpfe um Anerkennung und Gleichstellung längst gewonnen haben und in der Gesellschaft, bis auf wenige Ausnahmen, keine Vorbehalte bezüglich gleicher Rechte mehr bestehen, so werden wir mit neuen, durchs Dorf getriebenen Säuen eines schlechteren belehrt.

Dachten wir ebenfalls, dass das Thema Rasse an sich abgearbeitet, erfolgreich abgearbeitet wurde, kehrt es, unter dem Etikett „Intersektionalität“ auf die Bühne gesellschaftlicher Zersplitterung zurück. Rasse ist, zumindest wenn Mann weiß, alt und ethisch-moralisch dreckig ist, wieder „in“ und unter dieser Fahne lassen sich die absurdesten Theorien aufstellen, die, wie die aktuellen Diskussionen um „Gender“, „Trans“ oder anderen, noch ihrer Entdeckung harrenden Befindlichkeiten zeigen, politische und finanzielle Begehrlichkeiten wecken.

Es ist, Murray beschreibt es anhand vieler „Einzelfälle“, der, politisch unterstützt, zunehmend erfolgreiche Versuch von absoluten Minoritäten, der Mehrheit ein politisches und gesellschaftliches Verhalten aufzuoktroyieren, das, unter Zuhilfenahme vorgeblich bewiesener soziologischer Theorien – seit wann ist Soziologie eigentlich eine Wissenschaft? - die „weiße“ Gesellschaft in eine sich stets ihrer „Schuld“ bewusst machende Tätergemeinschaft transformieren soll.

In diesem Kampf mutieren Antirassisten auf einmal zu Rassisten, Toleranz predigende Gutmenschen zu intoleranten Hetzern und im Namen der politischen Korrektheit werden nicht selten vom Mainstream, vom politisch Erlaubten abweichende Meinungen kriminalisiert. Dass dabei die sog. sozialen Medien eine große Rolle spielen, ist evident, denn hinter der scheinbaren Anonymität lässt es sich vortrefflich beleidigen.

Wir leben ohne Frage in einer Zeit großer Verwirrung, denn, so Murray, die meisten der politisch korrekt bewegten Zeitgenossen und -genossinnen folgen Theoretikern, deren Theorien sie nicht verstehen, weil – genialer Seitenhieb auf Judith Butler – sie pseudo-wissenschaftliche Prosa darstellen, die aufgrund ihrer oft unlesbaren Schwurbeleien eher etwas zu verbergen hat, als zu neuen Erkenntnissen gelangt.

Die zahlreichen Beispiele des grassierenden Wahnsinns, die der Autor anführt, sind im angloamerikanischen Bereich verortet, doch es dürfte nicht mehr lange dauern, bis dessen Auswüchse auch in Europa zu spüren sein werden. Es ist wohltuend festzustellen, dass Murray sich keiner Theorie bedient, um seine Aussagen bezüglich des angewandten Irrsinns zu untermauern. Die Aufzählung diverser „Meinungsverschiedenheiten“, die nicht selten in Rufmord und juristischen Bewertungen enden, sprechen für sich, besser gesagt, gegen den „Wahnsinn der Massen“.




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Veröffentlicht am 14. Dezember 2019