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Buchkritik -- Fabio Nola -- Commissario Gaetano und der lügende Fisch

Umschlagfoto, Buchkritik, Fabio Nola, Commissario Gaetano und der lügende Fisch, InKulturA Es ist später Vormittag in den engen Gassen des Quartieri Spagnoli. Die Sonne bricht sich flimmernd auf dem blankgewetzten Basaltpflaster, während über die Wäscheleinen, die quer zwischen den Häusern gespannt sind, die bunten Hemden und Laken wie schüchterne Fahnen im Wind flattern. Aus offenen Fenstern dringt der Duft nach frischer Tomatensauce, Basilikum und Knoblauch, irgendwo bereitet eine Nonna schon das Ragù für den Sonntag vor.

Motorroller knattern mit heiserem Röhren durch die verwinkelten Gassen, oft mit zwei, manchmal gar drei Passagieren, ein Kind, lässig balancierend, in der Mitte. Der Verkehr wirkt chaotisch, aber funktioniert mit eigenwilliger Eleganz. Ampeln gelten hier eher als Vorschlag denn als Regel.

Ein alter Mann sitzt auf einem Plastikstuhl vor der Haustür, das Hemd halb aufgeknöpft, die Füße in Pantoffeln. Neben ihm ein Espresso im winzigen Glas, stark, schwarz, süß. Er betrachtet schweigend das Leben, das an ihm vorbeizieht. Ein Händler preist lautstark seine frischen Meeresfrüchte an, „'A maruzzella! Freschissima!“, während Kinder in der Seitengasse mit einem abgewetzten Fußball spielen.

Über allem liegt die Musik: manchmal ein neapolitanisches Lied aus einem kleinen Radio, manchmal das unverkennbare Stimmengewirr, melodisch, lebendig, theatralisch. Die Sprache der Straße ist eine eigene – eine Mischung aus Italienisch und neapolitanischem Dialekt, klangvoll und voller Gesten.

Touristen ziehen fasziniert ihre Kameras, während Einheimische geschäftig ihre Besorgungen machen. An einer Straßenecke steht ein kleiner Altar mit Marienbild, Plastikblumen und flackernden Lichtern. Davor bleiben viele kurz stehen, ein Kreuzzeichen, ein stilles Gebet – der Alltag, unterbrochen von Andacht.

Das ist die Stadt, seine Heimat: Commissario Gaetano, verlottert und chaotisch, aber einer der besten Ermittler in dieser, an brutalen Verbrechen nicht mangelnden Stadt. Doch dieser Fall, der bizarre Mord an einem Turiner (igiitigitt), einer aus dem Norden, hat es in sich. Während sich die Einwohner auf die Feierlichkeiten zu Ehren ihres Stadtpatron San Gennaro vorbereiten, wird der Mann aus dem Norden Opfer eines Verbrechens: enthauptet und ausgeblutet, so wird er aufgefunden.

Das Pikante dieser Angelegenheit ist die Tatsache, dass Dottore Ianus Capuano, so der Name des Opfers, kurz vor der Tat bei Gaetano vorstellig wurde und um Schutz bat, denn, so seine Aussage, in seine Wohnung beträte während seiner Abwesenheit eine fremde Person. Widerwillig stellt Gaetano einen Kollegen ab, um der Sache nachzugehen, doch leider zu spät, um den Mord zu verhindern.

Der erste Roman um diesen etwas anderen Ermittler und seine ebenfalls etwas vom Bild des korrekten Polizisten abweichen Kollegen, arbeiten mit Hochdruck und vielen italienischen Momenten an der Lösung des Falles, denn ihr Vorgesetzter, der zwar wenig talentiert ist, nichtsdestotrotz aber nach höheren Weihen strebt, setzt alles daran, dass der Fall so schnell wie möglich aufgeklärt wird, denn die nationale Presse wetzt bereits ihre Messer, angesichts der üblichen Vorurteile gegen den Süden Italiens.

Fabio Nola, das Pseudonym eines deutschen Historikers, legt mit diesem ersten Fall für Commissario Gaetano einen Kriminalroman vor, der mit viel Lokalkolorit einen verzwickten Fall lösen muss, denn das Opfer war ein Mann, der an sehr jungen Mädchen interessiert gewesen ist. Geschah die Tat also aus Rache oder gar aus religiösen Motiven?

Bis zur Auflösung werden die Leser mitgenommen nicht nur als stille Zeugen neapolitanischer Ermittlungsarbeit, sondern auch durch enge, nicht immer wohlriechende Gassen und das quirlige Alltagsleben dieser turbulenten Stadt.

Klare Leseempfehlung.




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Veröffentlicht am 20. Mai 2025