Philosophie Magazin -- 02/2017

Umschlagfoto, Philosophie Magazin, 02/2017, InKulturA Ja war sie denn überhaupt einmal verschwunden, die Frage nach der Identität? Die aktuelle Ausgabe des Philosophie Magazin stellt jedenfalls, etwas überrascht wie es scheint fest, "Sie ist wieder da". Nun weiß der aufmerksame Beobachter des politischen Zeitgeistes um die, nennen wir sie Moden der historischen Befindlichkeiten, doch individuelle, gesellschaftliche und kulturelle Identität waren und sind wesentlicher Bestandteil der jeweiligen Eigendefinition.

Können wir uns ein Individuum ohne Identität vorstellen? Nein, es ist nicht die Rede von fehlenden persönliche Dokumenten wie Reisepässen oder sonstige die Person eindeutig identifizierbar machende Schriftstücke – auch wenn der derzeit bei bestimmten Personengruppen stets spontan eintretende Verlust ersterer wesentlich zur Renaissance des Begriffs Identität bei denen die schon länger hier leben beigetragen hat – sondern von dem, was erst ein sich selbst bewusstes Ich ausmacht: dessen Identität. Diese ist sowohl individuell als auch gruppenspezifisch. Ich bin nun einmal Ich und kein Anderer.

Zugegeben, der Begriff hat in Deutschland, im Gegensatz zu seinen europäischen Nachbarn, eine schlechte Reputation und doch geht die Frage nach Identität viel tiefer als die Verkürzung auf zwölf Jahre Nationalsozialismus. Genau das machen die Beiträge dieses Heftes klar. Sie inkludiert gleichfalls, wer dazu gehört und wer nicht. Das muss erst einmal nicht schlecht sein, denn nur wenn ein Individuum, eine Gruppe oder eine kulturelle Gemeinschaft sich ihrer eigenen Identität bewusst ist, kann man die der anderen richtig wertschätzen – oder auch nicht.

Dabei befindet sich Deutschland, im Gegensatz zu seinen es umgebenden Freuden, die niemals ein Problem bezüglich deren nationaler Identität hatten, in einer Situation, die, ausgelöst durch die Grenzöffnung, bei vielen wieder die Frage aufwirft, wer dazu gehören darf und wer nicht. Es fehlt, das zeigt die Diskussion zwischen Sibylle Lewitscharoff und Peter Trawny, ein konkretes Narrativ, "… ein geradezu mythisches Schöpfungsereignis".

Welche Position man auch zu Fragen der Identität oder, wie es die gegensätzlichen Meinungen von Harald Welzer und Patricia Purtschert zum Thema "Spalten Minderheitenrechte die offene Gesellschaft?" bezieht, eines ist klar, die neue alte Diskussion über den Fall "Ich und Andere" oder "Wir und Die" wird auf alle Fälle spannend.

Ein Homunkulus für jedermann, so könnte man den Beitrag von Cécilia Bognon-Küss über synthetische Biologie und die Frage, wo die Grenze zwischen Leben und toter Materie zu ziehen ist, nennen. Der Traum des Menschen, künstliches Leben zu erschaffen, ist anscheinend nicht länger ein Desiderat der Phantasie. Genmanipulationen, kodieren und dekodieren von DNA-Sequenzen, ist inzwischen auch einem breiten Kreis interessierter Laien möglich.

Dahinter steht die Frage nach der Essenz des Lebens und, noch viel wichtiger, die Hoffnung - oder soll man sagen, Hybris? - der Evolution auf die Sprünge zu helfen. Ob allerdings Leben, so wie es der aktuelle Parameter der synthetischen Biologie darstellt, auf Code, Programm oder Information reduziert werden kann, muss offen bleiben.

Ein außerhalb des akademischen Fachbetriebs nahezu unbekannter Philosoph ist Hermann Schmitz, dessen "Neue Phänomenologie" inzwischen immer mehr Anhänger findet. Entgegen des aktuellen materialistischen Weltbildes arbeitet Schmitz mit den Ergebnissen subjektiven Erlebens – die Gefühle. Der Leib, konkret "… die Regungen, die wir in dieser Gegend spüren" ist der Ausgangspunkt einer Philosophie, die im Körper-Geist-Dualismus eine grobe Verkürzung menschlicher Befindlichkeit sieht. Kein Wunder, dass gerade Medizin und Psychologie, die abseits etablierter Methoden Zugang zum Patienten suchen, bei Schmitz fündig geworden sind.

Eine überaus interessante These über Epikur als Religionsstifter legt der Philologe Pierre Vesperini vor, die in der Fachwelt für Aufsehen und Widerspruch sorgt.





Veröffentlicht am 21. Januar 2017