Philosophie Magazin -- 03/2018

Umschlagfoto, Philosophie Magazin, 03/2018, InKulturA Einfach leben. Gar nicht so einfach angesichts der Verlockungen des Konsums. "Genügsamkeit ist natürlicher Reichtum, Luxus künstliche Armut", so Karl Julius Weber, Jurist, Privatgelehrter und Schriftsteller (1767 – 1832). Ist also nur die Definition dessen, was einfaches Leben ausmacht variabel oder ist gar, mit Friedrich Nietzsche gesprochen, "Der Hang zum Luxus [...] das Überflüssige und Unmäßige [...], in dem seine Seele am liebsten schwimmt."? Wie man sieht, ist einfach in der Praxis eben nicht so einfach und deshalb kommt es gelegen, dass sich das Philosophie Magazin in seiner aktuellen Ausgabe diesem Thema widmet.

Askese, Minimalismus und Authentizität sind, je nach individueller Veranlagung, probate Methoden, um sich den stets gegenwärtigen Versuchungen des Übermaßes zu erwehren. Das kann ein Rückzug ins Kloster sein (Philipp Felsch macht im oberbayerischen Ettal einen Selbstversuch und kommt zu überraschenden Ergebnissen) oder ein eher urbaner Lebensstil, der es versteht, die angenehmen Seiten der modernen Gesellschaft zu genießen, ohne in das "Unmäßige" Nietzsches abzugleiten, das kann aber auch ein rurales Leben bedeuten, dessen Herausforderungen eher praktische Fähigkeiten erfordern und manchmal auch überfordern. Auf alle Fälle, die Diskussion zwischen Barbara Vinken und Hilal Sezgin zeigt es, gibt es zum Glück keine Allgemeinformel für "einfaches Leben".

Was haben sog. Immortalisten und Biokosmisten, russische Philosophen des frühen 20. Jahrhunderts, und die Tech-Gurus aus dem Silicon Valley gemeinsam? Sie halten den Tod des Menschen für eine kosmische Beleidigung und träumten und träumen von der Verlängerung des Lebens, der Eliminierung von Krankheiten und, im Fall des Transhumanismus, die biologischen Grenzen menschlicher Existenz durch die Anwendung technologischer Verfahren zu erweitern. Ein nachdenklich stimmender Beitrag von Nils Markwardt, steht doch hinter diesen Ideen eine Diktatur des Machbaren, deren Konsequenzen überhaupt nicht auszuloten sind.

Bedeutet "Political Correctness" und deren neue Spielart, die "sensible Sprache", das Ende jeglichen Diskurses, weil dessen Teilnehmer ihre Worte auf die Goldwaage legen müssen, um ihr Gegenüber nicht, ob willentlich oder unabsichtlich, zu verletzen? Robert Pfaller und Paula-Irene Villa versuchen im Gespräch die Klippen unsensibler Missverständnisse zu umschiffen.

Nebenbei bemerkt, aktuell grassiert der Virus des "sich beleidigt fühlen" und anscheinend ist die Kompetenz zu Gelassenheit gegenüber Frotzeleien eine verschwindenden Größe geworden. Diesbezüglich etwas weniger Hysterie und etwas mehr individuelles Selbstbewusstsein wäre besser. Nicht jeder Scherz ist "...istisch".

Es lohnt immer den Gedanken Thea Dorns, eine der wenigen originellen Schriftstellerinnen unserer Zeit, zu folgen. Unkonventionell ist auch ihre Meinung zu den Reizthemen "Heimat" und "deutsche Kultur". Nicht Leitkultur als "Essenzialismus [...] deutschen Wesens", sondern, so Dorn, Leitzivilität, "Umgangsformen, [...] Sitten und Regeln, an die sich alle halten müssen." Wenn doch nur schon alle so weit wären!





Veröffentlicht am 18. März 2018