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Buchkritik -- María José Ferrada -- Der Plakatwächter

Umschlagfoto, Buchkritik, María José Ferrada, Der Plakatwächter, InKulturA Ramón hat den Lärm und den Alltag satt. Er arbeitet in einer Fabrik, lebt in einer prekären Siedlung und hat die Schnauze voll. Als sich die Gelegenheit bietet, nimmt er einen Auftrag der besonderen Art an: Er kümmert sich fortan um eine riesige Coca-Cola-Werbetafel, die in der Nähe seiner Siedlung an einer Autobahn steht. Als er den riesigen Raum des Gerüsts, das die Werbetafel trägt, in Augenschein nimmt, beschließt er, diesen Platz zwischen den beiden Seiten der Werbetafel zu seinem neuen Domizil zu machen.

Von dieser erhöhten Position aus, einige Meter über dem Boden, beginnt er nach dem Sinn der Dinge zu suchen, einen Sinn, den er auf der Erde nicht finden kann. Seine Freundin Paulina und sein Neffe Miguel beginnen ihn zu besuchen und werden ihm berichten, wie die Nachbarn Ramón für einen Verrückten halten, jemanden, der die Ehrbarkeit und den guten Ruf der Nachbarschaft in Schande bringt.

Armut und Demütigung sind in der Siedlung alltäglich. Die Familien leben auf engstem Raum und in preisgünstigen Wohnungen, die nur das Überleben sichern. Gutes Leben findet woanders statt. Kein Wunder, dass dort Existenz im Krisenmodus herrscht.

Die Ankunft einer Gruppe von Obdachlosen in der Nähe der Siedlung löst Aggressivität zwischen ihnen und den langjährigen Bewohnern der Gegend aus und entfesselt die Wut der letzteren Gruppe. Dazu kommt das Verschwinden eines Jungen aus der Siedlung. Dieses tragische Ereignis ist der perfekte Vorwand dafür, dass die Nachbarn ihrer angestauten Wut freien Lauf lassen.

Die Autorin hat zahlreiche Kinderbücher veröffentlicht und so lässt sie hier die Geschichte von dem 11-jährigen Miguel erzählen, hinter dessen auf den ersten Blick kindlich-naiver Darstellung eine tiefe und durchdringende Kritik an den sozialen Verhältnissen Chiles, geschrieben mit einer subtilen Diktion, zutage tritt.

„Der Plakatwächter“ ist ein Roman, in dem Ferrada mit einer einfachen, feinen und eleganten, dabei aber auch kraftvollen und originellen Sprache die Realität der chilenischen Gesellschaft offenbart.




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Veröffentlicht am 26. April 2024