Buchkritik -- Rolf Kaufmann -- Das Gute am Teufel

Umschlagfoto  -- Rolf Kaufmann  --  Das Gute am Teufel Kein kirchliches Disziplinierungsmittel hatte so weitreichende Folgen und Auswirkungen wie die Figur des Teufels. Teufel, Satan, Luzifer und wie seine Namen auch immer waren, stets stand er für das Böse schlechthin, für die Abkehr von Gott, für Höllenqualen und Angst. Hat sich das Bild des Teufels in der evangelischen Kirche langsam dahingehend gewandelt, das man die Bibel in Bezug auf den in ihr enthaltenen Symbolcharakter untersucht und liest, so liegt es immer noch in der katholischen Lehrtradition, die Existenz des Teufels als reale Gestalt zu bejahen.

Rolf Kaufmann zeigt in seinem Buch Das Gute am Teufel ein anderes Bild dieser Figur. Der Teufel, bzw. das was dafür gehalten wird, sind nach tiefenpsychologischer Ansicht die eigenen verborgenen Wünsche und Triebe des Menschen. Für Kaufmann, Theologe und Jungscher Psychotherapeut, sind der Teufel und seine Manifestationen exemplarische Beispiele für eine Verdrängung unserer archaischen Triebe. Der Mensch, der sich so gern für ein instinkt-ungebundenes Lebewesen hält, hat in seinen Genen immer noch gewisse "Restbestände" an instinktiven Verhaltensweisen, die jedoch heutzutage von der Gesellschaft nicht mehr toleriert werden.

Diese Archetypen, so C. G. Jung, werden im Lauf der menschlichen Entwicklung von der Kultur unterdrückt weil sie nicht mehr erforderlich scheinen, oder weil es einfach nicht mehr dem jeweiligen "Zeitgeist" entsprechen würde, sie auszuleben. Diese angeborenen Urbilder geraten teilweise mit den gesellschaftlichen Normen in Konflikt und führen deshalb zu psychischen Störungen. Dies hat sich die Kirche zu Nutzen gemacht und die Figur des Teufels erfunden.

Rolf Kaufmann unterscheidet zwischen Kulturen und Zeiten, die in Einklang mit dem Universum lebten und in solche, deren Einklang mit der Natur zerstört war. Lebten in ersteren Tiere, Menschen und Götter in Harmonie miteinander und es bestand kein Bedarf für Vermittlung zwischen den verschiedenen Ebenen, so änderte sich das mit der Entstehung von monotheistischen Religionen. Die "Erfindung" Gottes bedurfte, um das Böse in der Welt zu erklären und es für die Menschen rational fassbar zu machen, der Existenz des Teufels. Selber einmal der göttlichen Sphäre innewohnend und Gott äußerst nah, fiel er in Ungnade und wurde verbannt. Von da an wurde er von der Kirche als Druckmittel zur Disziplinierung benutzt.

Der Autor zeigt diesen Weg historisch nach und weist auf die argumentative Sackgasse dessen hin. Indem der Teufel, bzw. das Böse als real existierende Figur gesehen wird, kann sich das Individuum bei Nichtanpassung an die gesellschaftlichen Regeln und Normen, genauergesagt bei psychischen Störungen die aus der Diskrepanz zwischen den verdrängten Archetypen und der gesellschaftlichen Realität entstehen, nicht weiterentwickeln. Anstelle dessen tritt bei besonders schweren Fällen der kirchliche Exorzismus in Aktion. In minder schweren muß die Beichte reichen.

Entscheidend ist jedoch die Tatsache, das dem Einzelnen die Chance genommen wird, sich mit seinem eigenen "Schatten", mit seinen dunklen Trieben und Wünschen zu beschäftigen. Die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit, die Individuation, kann somit nicht stattfinden, denn es gibt bereits einen Schuldigen, den Teufel, bzw. die Abkehr von Gott.

Doch gerade das Bejahen und die Akzeptanz des eigenen Schattens, seiner individuell verschiedenen Manifestationen sind für die Individuation von großer Bedeutung. Kaufmann weist zu Recht darauf hin, daß die Verdrängung der dunklen Triebe eines Menschen zu großen psychischen Problemen und Konflikten führt. Die Geschichte beweist, daß aus allen Bewegungen, Ideologien und Religionen die nur das Gute wollten, immer die schlimmsten Diktaturen wurden. Das Akzeptieren seines eigenen Schattens und die produktive Auseinandersetzung mit ihm kann uns davor bewahren.




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