Buchkritik -- Thilo Sarrazin -- Die Feinde der Vernunft

Umschlagfoto, Buchkritik, Thilo Sarrazin, Die Feinde der Vernunft, InKulturA Thilo Sarrazin, Enfant terrible der deutschen Gutmenschenfraktion, hat wieder zugeschlagen. In Anlehnung an den österreichischen Philosophen Karl Popper, den Begründer des Kritischen Rationalismus, liest der streitbare – offizieller Sprachgebrauch umstrittene – Autor den Träumern, genauer ausdrückt, den Ideologen die Leviten.

Spricht Popper von den Feinden der offenen Gesellschaft, so legt Sarrazin noch eine Schippe drauf und erklärt die Verbohrten, die Engstirnigen, die um jeden Preis recht haben wollenden zu Feinden der Vernunft, denen die Fähigkeit oder die Bereitschaft zu kritischem Denken abhandengekommen ist oder die sie vielleicht nie besessen haben.

Ideologien, egal welcher Couleur, haben in der jüngeren Geschichte für Millionen Opfer gesorgt und sind sowohl für Genozide als auch den Holocaust verantwortlich. Ideologien versprechen eine einfache theoretische und praktische Lösung für politische, gesellschaftliche und soziale Probleme. Soweit die Theorie. In der Praxis sind Ideologien für die Bewältigung von Herausforderungen nicht geeignet, da sie den Blick auf Fakten verkürzen und nur unter großen Opferzahlen die Realität mit den jeweiligen politischen Vorstellungen in Einklang bringen können.

Thilo Sarrazin hat weit, sehr weit ausgeholt und in seiner jüngsten Veröffentlichung darauf verwiesen, dass, so wie noch jede Ideologie es sah und sieht, Geschichte kein deterministisches System ist und nach sog. historischen Gesetzmäßigkeiten abläuft, sondern ein offener Prozess ist, der immer wieder neuen Problemen gegenüber ebenso neue Lösungen finden muss.

Diese Lösungen müssen, soll eine Gesellschaft funktionieren, wissenschaftlich rational gefunden werden und sich in einer stetigen Wechselbeziehung zwischen Überprüfbarkeit und Weiterentwicklung befinden. Im Gegensatz zu Ideologien, die monolithisch daherkommen und unveränderlich sind, muss sich die Politik der angewandten Vernunft immer der Wirklichkeit und damit ihrem Funktionieren stellen.

Einmal mehr arbeitet sich der Autor an den drängenden Problemen der Gegenwart ab und erweist sich erneut als kritischer Geist, der sich dadurch beim polit-medialen Mainstream keine Freunde machen dürfte. Seine Themen sind sowohl die Ordnung der Natur, die Stellung des Menschen und die Evolution als auch die geistigen Befindlichkeiten unserer Spezies, die in großen Teilen nur allzu gern aufs eigene Denken verzichtet und dies der Religion oder deren weltlicher Schwester Ideologie überlässt.

Leider, und das ist ärgerlich, übernimmt Thilo Sarrazin sowohl das offizielle Narrativ der Pandemiepolitik Deutschlands und die veröffentlichte Deutung des polit-medialen Kartells bezüglich des Ukrainekriegs. Für einen, wie der Autor sich rühmt, kritischen Rationalisten ein schwaches Bild.




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Veröffentlicht am 19. September 2022