Buchkritik -- Simon Singh -- Geheime Botschaften

Umschlagfoto  -- Simon Singh  --  Geheime Botschaften Seitdem Menschen schriftlich miteinander kommunizieren, so lange besteht auch schon das Bedürfnis dazu, eben diese Kommunikation vor neugierigen Blicken zu verbergen. Aus diesem Bestreben entwickelte sich die Wissenschaft der Kryptographie. Doch nicht nur beim Verschlüsseln und Entschlüsseln von geheimen Botschaften zeichnet sich diese, gleichsam eine Kunst zu nennende Wissenschaft aus, sondern auch bei der Entzifferung wiederentdeckter Schriften, wie z. B. der ägyptischen Hieroglyphen oder von Linear B, der mykenischen Schrift.

Simon Singh beschreibt in seinem Buch "Geheime Botschaften" die Geschichte dieser Wissenschaft. Herausgekommen ist dabei ein Werk, das sich so spannend liest, wie es sich für dieses Thema gehört. Ob es sich dabei um die Entzifferung der Geheimschrift von Maria Stuart handelt, der schottischen Königin, die im Jahre 1587 wegen einer Verschwörung gegen Königin Elisabeth enthauptet wurde, um die Entschlüsselung der deutschen Enigma Codierungsmaschine im 2. Weltkrieg oder um moderne Verschlüsselungsmethoden für den alltäglichen Datenstrom im Internet, immer beschreibt Singh seinen Gegenstand kenntnisreich und auch für den mathematisch durchschnittlich begabten Leser nachvollziehbar und verständlich.

Codierung und Decodierung, Verschlüsselung und Entschlüsselung entwickelten sich nicht unähnlich der Evolution. Ein Kryptograph erfand eine Verschlüsselungsmethode und ein Krytoanalytiker sucht nach den Schwächen dieser Verschlüsselung. Es war ein ewiges Wettrennen, daß bis jetzt noch immer von den Kryptoanalytikern gewonnen wurde, denen es immer gelang einen Geheimcode zu knacken.

In der Vergangenheit überwiegend auf die militärische und politische Nutzung beschränkt, erhält die Chiffrierung im Zeitalter des Internet eine vollkommen neue Bedeutung. Zum ersten Mal sind (oder sollten) auch Privatpersonen an einer Verschlüsselung interessiert sein. Da es technisch möglich ist, jede unverschlüsselt abgesandte E-Mail abzufangen und zu lesen, muß auch der normale Bürger daran interessiert sein, seine Privatsphäre mit Hilfe von Verschlüsselungsprogrammen zu chiffrieren.

Hier bahnt sich ein Konflikt an, den Simon Singh in seinem Buch ebenfalls behandelt. Was bei der Privatperson üblich ist, nämlich die Verschlüsselung von persönlichen Details, kann bei kriminellen oder terroristischen Vereinigungen durchaus zu einem nicht zu akzeptierenden Problem werden. Dieses Dilemma zwischen dem Recht des Einzelnen und den legitimen Sicherheitsinteressen des Staates ist bis jetzt noch nicht vollkommen geklärt.

Im Prinzip, so Singh,ist jede Verschlüsselung zu brechen. Die Geschichte dieser Wissenschaft beweist es. Für eine Weile bot eine neue Methode eine gewisse Sicherheit. Doch die Kryptoanalytiker waren den Verschlüsslern immer dicht auf den Fersen und überholten sie jedesmal. Wenn jedoch der Ausblick, den Singh zum Schluß seines Buches gibt real wird, nämlich die nicht zu brechende Quantenkryptographie, dann bedeutet dies auf Dauer einen Sieg der Chiffrierer, denn diese Methode kann nach heutigem Wissensstand nicht entschlüsselt werden. Sollte dies jedoch irgend einmal der Fall sein, dann müßten, so der Autor, die auf Quantenebene geltenden naturwissenschaftlichen Gesetze neu geschrieben werden.

Dieses Buch von Simon Singh ist wieder einmal ein Buch, daß in der besten, von mir so sehr geschätzten, angelsächsischen Tradition von Verständnissvermittlung geschrieben wurde. Kompetent, sachlich und mit dem nötigen Humor schildert es die spannende Geschichte dieser Kunst. Nicht alle an ihr Beteiligten fanden auch die Anerkennung und die Bewunderung, die ihnen eigentlich gebührte. Da die Chifrierung bis vor kurzem fast eine rein militärische Angelegenheit war, ist es verständlich, daß die Verschlüssler und in einem noch größeren Rahmen die Entschlüssler immer hinter ihrem Werk und der militärischen Nutzung zurückstehen mußten. Simon Singh setzt vielen von ihnen ein postumes Denkmal.

Ein beeindruckendes Buch.




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