Buchkritik -- Rolf Stolz -- Städte und Flüsse

Umschlagfoto  --  Rolf Stolz  --  Städte und Flüsse Gedichte in einer wortlosen, weil von endloser Monotonie daherkommender Sprachfetzen geprägter Zeit zu schreiben, ist ein gewagtes Unterfangen. Dazu noch einen Gedichtband zu veröffentlichen, der eine Schaffensperiode von gut vier Jahrzehnten umfasst scheint geradezu ein Abenteuer zu sein. Rolf Stolz hat dieses Wagnis unternommen und abseits von aller Alltags- und Gefälligkeitslyrik einen wortgewaltigen und ausdrucksstarken Gedichtband veröffentlicht.

Es liegt im Wesen eines guten Gedichtes sehr viel inneres, ja sogar intimes, sonst nie so gesagtes, gewagtes eines Autors zu offenbaren. Kann sich der ausschließlich Prosa schreibende Autor noch hinter seinen Figuren verstecken, sie geradezu wie eine Schutz bietende Mauer vor sich aufbauen, so ist der Verfasser eines Gedichtes nach der Veröffentlichung seinem Leser gegenüber in einer gleichsam schutzlosen Position. Dies zu wagen, sich selber nahezu preiszugeben, sich zu beschreiben, den Versuch zu unternehmen etwas von der eigenen Person dem Anderen, Fremden mitzuteilen macht die große Bedeutung eines guten Gedichtes aus. Kommt noch, wie hier bei Rolf Stolz die Wortgewalt und eine gelungene Transformation von Bildern in das zweifelsohne enge Korsett einer Sprache, dann erlebt der neugierige und aufgeschlossene Leser einen der seltenen Momente in denen er aufgefordert wird innezuhalten, zu überlegen und Dinge miteinander in Beziehung zusetzen, von denen er noch wenige Augenblicke vorher noch nicht einmal wußte, das sie existieren.

Der Leser wandert mit Rolf Stolz in diesem Gedichtband durch die Zeit. Gerade der Weg Rückwärts in die Vergangenheit zeigt die So-Gewordenheit der Gegenwart. Der Titel dieses Bandes ist Programm: Städte und Flüsse ist die Beschreibung eines Lebens, vielleicht eine erste große Bilanz dessen was gelungen, aber auch gescheitert ist. So wie die Flüsse auf ihrem Weg zum Ozean durch Städte, die jeweils für einen Moment zur Einkehr, zur Rast und zur Verewigung des Augenblicks einladen fließen, so sehr drängt es doch die Flüße weiter. Durch viele Städte hindurch, sich doch niemals aufhalten lassend und zum Schluß mächtig geworden durch den Zusammenschluß von vielen Flüßen zu einem großen Strom, sich ergießend in einer großen Vereinigung, in den Ozeanen ihr eigentliches Ziel findend.

Der Leser dieser Gedichte begibt sich auf einen Weg von dem er nicht gleich weiß, wohin er ihn führen wird. Nicht alles erschließt sich ihm auf den ersten Blick, doch gerade das macht gute Literatur ja aus. Nicht das Vordergründige und Offenbare, sondern das zuerst überlesene, nicht wahrgenommene und erst bei mehrmaliger Lektüre in ganzer Bedeutung erscheinende, rührt uns, berührt uns und zeigt die Vielfalt des So-Sein-Könnens. Wer das Gefühl und die Ohren für Zwischentöne besitzt, wer geschriebene Bilder visualisieren kann, der wird an diesem Gedichtband mehr als seine Freude haben.

Rolf Stolz ist es gelungen in einer sprachlosen Zeit Worte der Individualität zu finden. Im Mittelpunkt steht das eigene So-Geworden-Sein ohne dem Zeitgeist gegenüber Konzessionen zu machen. Aus den Gedichten spricht ein Mensch der zu seiner, wie auch immer gewesenen, Vergangenheit steht. Der sie als eine Notwendigkeit für seine momentane Existenz betrachtet. Die Bejahung der Gegenwart durch die Akzeptanz der Vergangenheit steht für ein waches, eigenes Leben. Dieser Gedichtband ist dafür das beste Beispiel.




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