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Noah ist fassungslos: Camilla, die Frau, die er liebt, trennt sich von ihm, nicht etwa, weil ihre Zuneigung erkaltet wäre, sondern weil selbst tief empfundene Gefühle nicht imstande sind, bittere Geldsorgen in rosarote Träume zu verwandeln. Während sie Tag für Tag einen ungeliebten Job verrichtet, stemmt sie allein den gemeinsamen Lebensunterhalt. Noah hingegen, ein leidenschaftlicher Künstler ohne nennenswerte Erfolge, steckt noch immer in jener Lebensphase fest, in der stabile berufliche Perspektiven und ein gewachsenes Fundament längst erwartet werden dürften. Doch von seinem großen Durchbruch bleibt er weit entfernt.
Camilla zieht die Konsequenz: Sie beginnt eine Verbindung zu einem wohlhabenderen Mann, der ihr, obwohl er rechtlich noch an eine Ehe gebunden ist, und einer Freundin einen Kredit für ein Mode-Startup gibt. Eine Entscheidung, die sich bald als fatale Fehleinschätzung erweist, denn ihre neue Geschäftspartnerin erweist sich als sorglos bis verschwenderisch im Umgang mit den Firmengeldern.
Inmitten dieses Beziehungs- und Finanzdramas begegnet Noah Betty Hasler: einer Frau jenseits ihrer Jugend mit gesundheitlichen Problemen, die ihm ein lukratives, aber existenziell riskantes Angebot unterbreitet. Und was tut man nicht alles, wenn man – wie Noah – entschlossen ist, die Liebe seiner Ex zurückzugewinnen und ihr zugleich einen kleinen Schatz zu Füßen zu legen?
Doch Martin Suter spinnt aus dieser Grundkonstellation weit mehr als eine simple Romanze um Herzschmerz und Verzweiflung. Mit unaufgeregter Eleganz und geschliffener Diktion skizziert er die Zerreißproben einer modernen Partnerschaft, in der prekäre Arbeitsbedingungen auf emotionale Erschöpfung treffen. Er stellt die Frage in den Raum, welche Opfer jede Figur bereit ist zu bringen; nicht nur im privaten Ringen um Glück und Anerkennung, sondern im Spiegel gesellschaftlicher Erwartungshaltungen und Zwänge.
Einmal mehr schenkt Suter seinen Protagonisten viel Sympathie, ohne je mit dem moralischen Zeigefinger zu mahnen, obwohl jeder Charakter genügend ethisch fragwürdige Schattierungen aufweist. „Wut und Liebe“ richtet den Blick auf eine urbane, akademisch geprägte Generation, in der Autonomie, Unabhängigkeit und Zuneigung in einem ständigen Wettstreit stehen und in der finanzielle Ressourcen längst nicht bloßes Mittel zum Zweck, sondern tragender Machtfaktor jeder Beziehung sind.
Meine Bewertung:
Veröffentlicht am 26. Mai 2025