Buchkritik -- Hermann Pfeiffer -- Halte Dich dicht an mich und eile!

Umschlagfoto, Hermann Pfeiffer, Halte Dich dicht an mich und eile!, InKulturA Angesichts der sich gegenseitig überbietenden Schlagzeilen und effektheischerischer Reportagen, die lautstark über Katastrophen, Kriege und Sensationen - nur schlechte Nachrichten verkaufen sich gut - berichten, haben wir uns angewöhnt, nur noch für das große Unglück und die gewaltige Tragödie Interesse aufzubringen. Das Schicksal des Einzelnen, das persönliche Drama entgeht in der Regel unserer Aufmerksamkeit.

Am 13. August 1914 lief die Baron Gautsch, ein Passagierschiff der Reederei Österreichischer Lloyd auf eine Miene und versank innerhalb weniger Minuten. Bei diesem Unglück starben 147 Menschen.

Auf diesem Schiff, das auf den Namen des ehemaligen österreichischen Ministerpräsidenten und Innenminister Paul Gautsch getauft und in der schottischen Werft Gourlay Brothers & Company in Dundee gebaut wurde und am 3. Mai 1908 vom Stapel lief, befand sich auch die Familie von Hermann Pfeiffer, einem 37-jährigen Mediziner, der sich zusammen mit seiner Frau Grete, seinem dreijährigen Sohn Erny und dem Kindermädchen Friederike Schaller nach einem Badeurlaub auf der Rückreise nach Triest und weiter nach Österreich befand.

"Halte Dich dicht an mich und eile!" sind die Aufzeichnungen dieses Unglücks aus der Feder des Überlebenden Hermann Pfeiffer, der seinem ebenfalls überlebenden Sohn damit einen Tatsachenbericht dieser Katastrophe hinterließ, der auch den heutigen Leser erschüttern wird.

Die Schiffskatastrophe, die 14 Tage nach Ausbruch des 1. Weltkriegs stattfand, zerstörte nicht nur das Leben der Familie Pfeiffer, sondern kann in einem übertragenen Sinn auch als das Ende der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn betrachtet werden.

Hermann Pfeiffer schildert in seinen Erinnerungen, herausgegeben von seiner Enkelin Ingrid Pfeiffer, eine Zeit des familiären Glücks, das jäh zerstört wird. Österreich ist von den serbischen Provokationen zunehmend enerviert und die Kriegserklärung Österreich-Ungarn an das Königreich Serbien wird von der österreichischen Bevölkerung begrüßt.

Am 13. August 1914 unternahm die Baron Gautsch ihre erste planmäßige Überfahrt im Passagierverkehr seit dem Ausbruch des Krieges. Um 11.00 Uhr legte das Schiff in Veli Lošinj Richtung Triest ab und mit ihm 66 Besatzungsmitglieder und 240 Passagiere.

Das Schiff fuhr auf einem direkten Nordkurs und kam der Küste Istriens wesentlich näher, als die Direktiven der Kriegsmarine es vorschrieben. Dieser Kurs führte unmittelbar in ein Minenfeld, das durch die österreichisch-ungarische Kriegsmarine gelegt wurde, um den Hafen von Pola zu schützen. Die spätere Untersuchung der Havarie ergab, dass der kommandierenden Offizier zuvor durch Reisende gewarnt worden sei und auch vom Minenleger Basilisk Warnsignale erhielt, auf die seitens der Schiffsführung jedoch nicht reagiert wurde. Gegen 14:00 Uhr kam es zur Katastrophe und die Baron Gautsch lief auf eine Mine.

Hermann Pfeiffer schildert die Tragödie, die u. a. den Tod seiner Frau verursachte, minutiös. Innerhalb weniger Sekunden schmolz der zivilisatorische Firnis und alle Beteiligten hatten, bis auf wenige Ausnahmen, nur noch die Rettung des eigenen Lebens im Sinn. Angst und Panik breiteten sich aus und die Besatzung, die als erste in den Rettungsbooten saß und die Passagiere ihrem Schicksal überließ, handelte gegen jedes Pflichtgefühl.

Es sind ergreifende Sätze, die dem Leser zeigen, wie schnell nicht nur gesellschaftliche, sondern auch ethische Maßstäbe versagen, wenn es um die Rettung des eigenen Lebens oder das eines Familienmitglieds geht. Auch Hermann Pfeiffer trat, mit seinem Sohn im Arm und im Wasser um sein Leben kämpfend, wild um sich, um andere davon abzuhalten, ihn und sein Kind in die Tiefe zu ziehen. Schmerzvoll erinnert er sich im Rückblick an seine Handlungen und weiß doch, das ihm keine andere Möglichkeit geblieben wäre.

"Halte Dich dicht an mich und eile!" ist ein erschütterndes Dokument über die vielen unbekannten Opfer des 1. Weltkriegs.




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Veröffentlicht am 12. Januar 2014