Wer in unserer Zeit den Beginn einer Krankheit spürt und daraufhin zum Arzt geht, kann gewiß sein, das ihm geholfen wird. Die ärztliche Diagnostik, die Medikamentation, die operativen Techniken und die postoperative Versorgung sind auf hohem Niveau. Die Kranheitsprophylaxe und die hygienischen Verhältnisse sind ebenfalls von großer Qualität.
Wie anders war es noch vor 100 Jahren. Manfred Vasold geht in seinem Buch den Spuren der Seuchen und Epidemien nach. Sein zentraler Ausgangspunkt ist dabei das Mittelalter. Zu dieser Zeit war die Pest, oder was dafür gehalten wurde, die größte Geißel der Bevölkerung Europas. Ihr Ursprung war damals natürlich unbekannt und so ebenfalls auch die Heilungsmethoden.
Detailliert, aber mit der gegebenen Vorsicht, (die Quellenlage ist alles andere als eindeutig), behandelt Vasold die Krankheiten epidemischen Ausmaßes. Parallel dazu ist dieses Buch auch ein Ausflug in die Medizin- und Sozialgeschichte des europäischen Gesundheitswesens. Selbiges entwickelte sich erst Ende des 19. Jahrhunderts zu einem nennenswerten Faktor in Bezug auf Krankheitsprophylaxe und Behandlungsmethoden.
Lange Zeit war der Beruf des Arztes dem Baader, also grobgesagt dem Friseur, überlassen. Es ist für uns heutige Menschen kaum nachzuvollziehen, wie fatalistisch die Bevölkerung diese immer wiederkehrenden Ausbrüche verschiedener Seuchen aufgenommen hat. Der einzige Trost war in dieser Zeit der Glauben an eine bessere Welt nach dem Tode. Diese verzweifelte Hoffnung der Menschen hat die Institution Kirche weidlich zu ihren Gunsten ausgenutzt.
Das Auftreten von Epidemien war immer auch begleitet von dem fast völligen Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung. Niemand kümmerte sich um die Toten, Dörfer und Äcker verfielen und die Nahrungsmittelproduktion sank auf ein niedriges Niveau. Die Zahl der Todefälle überstieg oft auch die Zahl der Geburten. Kurioserweise, so Vasold und mit ihm eine Reihe von Medizin- und Sozialhistoriker, war das aber auch der Grund für eine schnelle Regeneration der sozialen Systeme. Waren vor dem Ausbruch einer Epidemie zu wenig Nahrungsmittel für zu viele Menschen vorhanden, so war es nach dem Ende der Epidemie wieder das "richtige Verhältnis" zwischen Nahrungsmittelproduktion und Nahrungsmittelverbrauch.
Wer sich für Medizin- und Sozialgeschichte interessiert und wen Statistiken nicht abschrecken, der findet in diesem Buch eine hervorragende Informationsquelle.
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