Seit vielen Jahren prognostizieren Demographen einen dramatischen Wandel in der Zusammensetzung der deutschen Bevölkerungsstruktur. Winfried Kösters bringt diese kommenden Veränderungen mit dem Titel seines Buches Weniger, Bunter, Älter genau auf den Punkt.
Obwohl die anstehende Umwälzung sowohl der Alterspyramide, als auch der bereits jetzt bestehenden ethnischen Vielfalt seit Langem bekannt ist, haben es die verantwortlichen Politiker bislang versäumt, auf diesen Umbruch mit adäquaten Entscheidungen und einer zukunftsorientierten Politik zu reagieren.
Weder die gestiegene Lebenserwartung, noch der Geburtenrückgang, geschweige die durch eine ungesteuerte Migration drohenden ethnischen Verwerfungen sind bisher auf dem Radar von Gesellschaftspolitikern aufgetaucht. Dabei hat gerade der Geburtenrückgang schon ein derart dramatisches Ausmaß angenommen, dass bereits jetzt eine komplette Generation fehlt, die Kinder in die Welt setzen könnte. Da sich gleichzeitig der Anteil der älteren Menschen erhöhen wird und dementsprechend immer weniger junge, arbeitende und Steuern und Sozialabgaben zahlende Menschen für immer mehr Rentner und Pensionäre aufkommen müssen, droht dem sozialen Frieden in der Bundesrepublik eine große Zerreißprobe.
Die Statistiken zur Bevölkerungsentwicklung - der Autor benutzt sie ausgiebig - zeigen ein mehr als dramatisches Bild der Zukunft dieses Landes. Wenn nicht sofort, mit klugen und mutigen Entscheidungen politisch gegengesteuert wird, droht Deutschland nichts weniger als der Verlust der globalen wirtschaftlichen und politischen Führungsrolle.
Wie dem am besten entgegenzuwirken ist, zeigt Kösters mit seinen vielen Lösungsvorschlägen. Man darf jedoch bei der Lektüre dieses Buches nicht vergessen, dass er sich mit der Mehrzahl seiner Empfehlungen an politische Entscheider auf kommunaler Ebene und in der Länderpolitik richtet. Das Buch ist das Ergebnis zahlreicher Vorträge vor landespolitischen Gremien und Kolloquien mit gesellschaftspolitischen Institutionen.
Die Lage ist, so der Winfried Kösters, bereits sehr ernst, doch bei richtiger politischer Weichenstellung noch immer in den Griff zu bekommen. Dazu gehören mutige und zukunftsorientierte Entscheidungen. Das Bildungssystem, ein wesentliches Instrument zur Zukunftsgestaltung, wird es sich nicht mehr leisten können, bestimmte Schüler aufgrund ihrer vermeintlichen Lernschwäche aufzugeben. Es wird, aus wirtschaftlichen und sozialpolitischen Notwendigkeiten, notwendig werden, alle vorhandenen humanen Ressourcen zu nutzen, um die Zukunftsfähigkeit Deutschlands zu gewährleisten.
Ein Gemeinwesen, dessen Anteil an älteren, nicht mehr direkt am Produktionsprozess beteiligten Menschen stetig steigen wird, kann es sich ebenfalls nicht mehr leisten, das vorhandene Fachwissen und die Erfahrungen dieser Gruppe einfach "in Rente" zu schicken. Diese stille Reserve wird in Zukunft ebenfalls dringend benötigt.
So korrekt die Analysen und so hilfreich die Lösungsvorschläge Winfried Kösters auch sind, hinterlässt das Buch Weniger, Bunter, Älter doch einen zwiespältigen Eindruck. Es sind Sätze wie dieser "Der Weg zur Multminoritätengesellschaft in Europa ab 2050 ist vorgezeichnet. Nationale und kulturelle Grenzen werden nur noch eine geringe Rolle spielen, weil die nationalen Kulturen keine mehrheitlich sinnstiftende Funktion mehr haben werden." S. 79 oder "Im Grunde sind die Deutschen bis heute nicht in der europäischen Wirklichkeit angekommen." S. 96, die darauf hindeuten, dass die Diskussion darüber, weshalb sich dieses Land zum einen in einem demographischen und zum anderen in einem ethnischen Wandel befindet, ohne die Ursachen dessen zu benennen, bestenfalls an den Symptomen herumlaboriert, ohne die wirklichen Fehlentwicklungen beim Namen zu nennen. Sowohl die "Gebärverweigerung" deutscher Frauen, als auch die Probleme einer nahezu ungehemmten Einwanderung in die Sozialsysteme Deutschlands sind die Folgen falscher politischer Entscheidungen. Die jetzige Schieflage und die daraus drohenden Probleme sind nicht auf einmal vom Himmel gefallen, sondern Ergebnisse eines seit den späten 60er Jahren stattgefunden habenden Mentalitätswechsel.
Wer, wie die 68er Generation, die Familie als Keimzelle des Faschismus desavouiert hat, ist zu einem großen Teil mitschuldig an der aktuellen Situation. Der gelungene "Marsch durch die Institutionen" dieser Generation und der sich daraus ergebende Paradigmenwechsel in der deutschen Politik, stellt sich heute als ein Bruch mit der historischen Kontinuität, die immer nur durch die Institution Familie gesichert werden kann, dar.
Insofern kommt die Analyse Kösters rein statistisch zwar absolut korrekt daher, sie verschweigt oder verdrängt jedoch die auslösenden Mechanismen. Weniger, Bunter, Älter ist jedenfalls kein Naturgesetz, sondern das Ergebnis einer seit Jahrzehnten betriebenen Politik, deren ideologische Fixierung es verhindert hat, sich auf die wirklichen Probleme zu konzentrieren.
Es ist die traurige Ironie der Geschichte, dass die Verursacher der aktuellen demographischen und ethnischen Schieflage die Letzten sein werden, die von den Errungenschaften dieses in Zukunft nicht mehr finanzierbaren Renten- und Sozialsystems profitieren. Die Folgekosten dieser Politik tragen ihre Enkel - wenn sie denn welche hätten.
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