In einer Welt, die von Krisen geschüttelt wird, in der das Volk nach Führung und Orientierung schreit, hat die deutsche Politik endlich eine Antwort gefunden. Eine Antwort, so klar, so brillant, so ästhetisch ansprechend, dass man sich fragt, warum nicht schon früher jemand darauf gekommen ist. Die Antwort lautet: Mehr Porträts! Ja, Sie haben richtig gehört. Was uns rettet, ist nicht etwa eine durchdachte Wirtschafts- oder Sozialpolitik, nicht der Kampf gegen den Klimawandel oder die Sicherung des Friedens. Nein, was uns rettet, ist das Konterfei unseres Außenministers, Johann Wadephul, in jeder deutschen Botschaft weltweit. Hallelujah! Endlich hat die Regierung Merz erkannt, worauf es wirklich ankommt: nicht auf Inhalte, nicht auf Ergebnisse, sondern auf die richtige Bildsprache. Und wer könnte diese Botschaft besser verkörpern als der Mann selbst, dessen Foto nun überall hängen soll?
Man stelle sich die Szene vor: Ein verzweifelter deutscher Tourist hat im Ausland seinen Pass verloren. Er irrt durch die Gänge der Botschaft, die nackte Panik im Nacken. Doch dann, ein Lichtblick! An der Wand, direkt neben dem Bundespräsidenten, erblickt er das gütige, leicht unterbelichtete Lächeln von Johann Wadephul. Sofort stellt sich ein Gefühl der Geborgenheit ein. „Alles wird gut“, flüstert das Porträt ihm zu, „denn ich bin bei dir.“ Der Pass ist zwar immer noch weg, aber die Seele ist gerettet. Und ist das nicht die eigentliche Aufgabe der Politik? Nicht die Sicherheit der Bürger, nicht die Wahrung ihrer Rechte, sondern die emotionale Stabilisierung durch ein professionell gerahmtes Konterfei. Das ist es, wofür wir unsere Steuern zahlen. Das ist die Zukunft, die uns versprochen wurde. Das ist der Traum, für den unsere Großeltern gekämpft haben. Das ist der Sinn des Lebens.
Die Begründung des Auswärtigen Amtes für diese geniale Maßnahme ist an bürokratischer Poesie kaum zu überbieten. Man wolle die „Auslandsvertretungen enger mit dem Ministerium verbinden“. Eine engere Verbindung durch ein Foto! Das ist so, als würde man versuchen, eine Ehe zu retten, indem man ein Selfie des Ehemanns auf den Nachttisch der Frau stellt. Die emotionale Tiefe, die dadurch entsteht, ist schier unermesslich. Man kann sich förmlich vorstellen, wie die Botschafter morgens vor dem Bild salutieren und sich ihre Tagesbefehle abholen. „Guten Morgen, Herr Minister! Sollen wir heute ein paar Menschenrechte kritisieren oder lieber einen neuen Handelsvertrag für die deutsche Automobilindustrie aushandeln?“ Und das Porträt antwortet schweigend, aber mit einem Lächeln, das alles zu verstehen gibt. So funktioniert moderne Diplomatie. So funktioniert Führung im 21. Jahrhundert. Nicht durch Taten, sondern durch Präsenz. Nicht durch Worte, sondern durch Bilder. Das ist die neue Realität.
Natürlich gibt es auch Kritik. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Janosch Dahmen, vermutlich nur neidisch, weil er nicht selbst auf die Idee gekommen ist, spricht von „bescheuerten Ideen“ und „Doppelstandards der Unredlichkeit“. Ach, Herr Dahmen! Sie verstehen einfach nicht die subtile Genialität dieses Schachzugs. Es geht hier nicht um Eitelkeit. Es geht um Symbolik! Es geht darum, der Welt zu zeigen: Wir haben nicht nur einen Bundespräsidenten, wir haben auch einen Außenminister! Und der ist mindestens genauso fotogen. Man stelle sich nur die Möglichkeiten vor. Warum bei den Botschaften aufhören? Wir könnten das Porträt von Herrn Wadephul in allen Amtsstuben aufhängen. In allen Schulen. In allen öffentlichen Toiletten. Jedes Mal, wenn ein Bürger sein Geschäft verrichtet, könnte er aufblicken und in das Antlitz des Mannes blicken, der Deutschland in der Welt repräsentiert. Das würde das Vertrauen in die Regierung zweifellos stärken. Oder zumindest das Unbehagen reduzieren. Oder es zumindest in etwas Anderes umwandeln. Die Psychologie ist erstaunlich.
Die genauen Vorgaben für das Foto – Format, Rahmung, alles bis ins kleinste Detail geregelt – zeigen die deutsche Gründlichkeit, die uns in der Welt so beliebt macht. Hier wird nichts dem Zufall überlassen. Kein Botschafter darf auf die abwegige Idee kommen, ein eigenes, vielleicht sogar künstlerisch wertvolles Porträt des Ministers anfertigen zu lassen. Nein, die Ästhetik des Personenkults muss zentral gesteuert werden. Einheitliche Porträts für ein einheitliches Volk! Das hat schon in der Vergangenheit gut funktioniert, nicht wahr? Und wenn es damals funktioniert hat, warum nicht auch heute? Die Botschaften sind irritiert, heißt es in den Berichten. Irritiert! Als würde man ihnen etwas Unsittliches zumuten. Dabei ist es doch völlig normal, dass ein Minister sein Konterfei überall verbreitet. Das ist nicht Eitelkeit, das ist Kommunikation. Das ist Branding. Das ist die Zukunft der Diplomatie. Das ist die neue Normalität. Das ist der Weg.
Man muss die Sache aber auch aus der Perspektive des Ministers sehen. Es ist sicher nicht leicht, ständig im Schatten des Bundespräsidenten zu stehen. Frank-Walter Steinmeier, der Mann mit der beruhigenden Stimme und dem sorgenvollen Blick, erntet die ganze Aufmerksamkeit. Und was bleibt für den armen Johann Wadephul? Die undankbare Aufgabe, durch die Welt zu jetten und so zu tun, als hätte Deutschland eine eigenständige Außenpolitik. Da ist es doch nur verständlich, dass er sich nach ein wenig Anerkennung sehnt. Ein kleines Bildchen an der Wand, eine stille Huldigung in den entlegensten Winkeln der Erde. Es ist ein bescheidener Wunsch, wenn man bedenkt, was andere Politiker sich so leisten. Und wer weiß, vielleicht wird das Foto ja auch zum Tourismusmagnet. Besucher aus aller Welt werden in die Botschaften strömen, nur um das berühmte Wadephul-Porträt zu sehen. Ein neuer Pilgerort für politische Enthusiasten und Kunstliebhaber. Ein Ort der Verehrung. Die Ironie der Situation ist natürlich nicht zu übersehen.
Ein Grüner Politiker beschwert sich über die Doppelstandards, während die Union im Amt ist. Aber stellen Sie sich vor, wie die Rollen vertauscht wären! Wenn Annalena Baerbock, die grüne Außenministerin, auf die Idee gekommen wäre, ihre Fotos in allen Botschaften aufzuhängen, die Empörung der Union wäre grenzenlos gewesen. Man hätte von Personenkult gesprochen, von Größenwahn, von einer Verletzung der diplomatischen Gepflogenheiten. Aber jetzt, wo es die Union tut, ist es plötzlich eine „Maßnahme zur Stärkung der Verbindung zwischen Ministerium und Auslandsvertretungen“. Wie praktisch, dass man die Dinge so sehen kann, wie es gerade passt. Wie wunderbar, dass die Prinzipien so flexibel sind. Wie erfreulich, dass es in der Politik keine echten Überzeugungen gibt, sondern nur taktische Positionen.
Doch halt, vielleicht verstehen wir das Ganze falsch. Vielleicht ist dies gar nicht das Symptom einer dekadenten Elite, sondern ein brillanter Schachzug. Während die Bürger sich über die Fotos aufregen, können die Politiker ungestört an echten Problemen arbeiten. Oder sie nicht bearbeiten. Das ist ja auch eine Art von Arbeit. Die Ablenkung ist perfekt. Alle reden über Wadephuls Porträt, niemand redet über die marode Infrastruktur, die Energiekrise oder die Frage, ob Deutschland noch eine Außenpolitik hat. Genial, wirklich genial. Die Medien spielen mit, die Opposition spielt mit, und am Ende haben alle das Gefühl, dass etwas Wichtiges passiert ist. Dabei ist das einzige, was passiert ist, dass ein paar Fotos an die Wand gehängt werden. Aber hey, wenigstens ist es etwas.
Am Ende ist diese Episode nur ein weiteres Symptom einer politischen Klasse, die sich in ihrer eigenen Wichtigkeit sonnt und den Bezug zur Realität verloren hat. Während die Bürger mit realen Problemen zu kämpfen haben – steigende Mieten, Inflation, eine marode Infrastruktur, Unsicherheit in der Welt – beschäftigen sich unsere Volksvertreter mit der optimalen Platzierung ihrer eigenen Porträts. Es ist eine Satire, die sich selbst schreibt. Man kann nur noch zynisch applaudieren und hoffen, dass die Wand, an der die Politiker hängen, stabil genug ist. Denn wenn die Bilder erst einmal hängen, ist der nächste Schritt zur Seligsprechung nicht mehr weit. Und wer weiß, vielleicht wirkt ein Gebet zu Sankt Johann von der CDU ja Wunder bei der nächsten Passverlängerung. Vielleicht sollten wir uns alle einfach entspannen und die Bilder genießen. Schließlich ist es billiger als echte Politik. Und ehrlich gesagt, vielleicht ist das auch das Beste, das wir von dieser Regierung erwarten können. Zumindest sind wir dann ehrlich zu uns selbst.