Man reibt sich die Augen: dieselben Gestalten, die sonst bei jeder Kleinigkeit ›Zivilisation! Werte! Demokratie!‹ rufen wie ein nervöser Feuermelder, feiern plötzlich den Mord an einem politischen Gegner. Bravo! Ein zivilisatorischer Coup sondergleichen, endlich das Niveau jener Steinschleuder-Logik erreicht, die schon in der Bronzezeit kaum originell war.
Der Jubel über den Tod eines Menschen, welch intellektueller Höhepunkt. Man könnte fast meinen, Aristoteles habe sich umsonst abgemüht, Kant umsonst kategorische Imperative formuliert. Denn siehe da: Ein Schuss genügt, und schon erübrigen sich Jahrhunderte der Aufklärung. Kein Diskurs, keine Gegenrede, kein Denken, nur das heilige Klicken des Abzugs, das ›Argument‹ für alle, deren Wortschatz bei Beleidigungen endet.
Es ist die armselige Phantasie der Denkfaulen: Man erspart sich die Mühe des Streitens, das Risiko des Widerlegtwerdens, und kann stattdessen in den digitalen Kommentarspalten die große moralische Pose üben. Natürlich ohne jede Scham, denn wer auf einem Grab tanzt, glaubt ernsthaft, er habe die Geschichte überlistet. In Wahrheit tanzt er nur über den eigenen Schatten, und bleibt trotzdem klein.
Und doch sehen sie sich selbst als Helden, diese tastaturbewaffneten Siegesrufer. Da sitzen sie in ihrer pyjamabekleideten Aufrichtigkeit, in der einen Hand die Chipstüte, in der anderen das Smartphone, und schreiben mit bebender Brust: ›Endlich Gerechtigkeit!‹ Welch epischer Auftritt! Homer hätte ganze Epen dichten können über diese Helden der Kommentarspalten, die vom Sofa aus die Weltordnung neu justieren. Ach, wenn Tapferkeit doch so einfach zu haben wäre wie ein WLAN-Passwort.
Wie heroisch, wie edel, wie … lächerlich. Ein Mord als Sieg? Das ist ungefähr so überzeugend, als würde man im Schach den König vom Brett werfen und anschließend behaupten, man habe genial mattgesetzt. Es wirkt nur auf jene, die das Spiel ohnehin nie verstanden haben.
Man könnte das Ganze als grotesken Witz abtun, wenn es nicht so ernst wäre. Denn die Demokratie stirbt nicht durch den ersten Schuss, sondern durch den Beifall, der ihm folgt. Wer jubelt, macht sich nicht zum Kämpfer, sondern zum Statisten einer Tragödie, die er selbst nicht begreift.
Und deshalb bleibt nur eine Antwort: Spott und Verachtung. Kein Mitleid, kein Verständnis, keine Relativierung. Wer den Mord feiert, hat sich selbst aus dem Kreis der Zivilisierten gestrichen. Der Rest mag sich wieder der Mühe widmen, die schwerer wiegt als jede Waffe: denken, sprechen, überzeugen.