Wenn der alte weiße Mann Suppe kochen muss

Es beginnt in jenem politisch aromatisierten Paralleluniversum, in dem Funktionäre der Gegenwart mit einer Selbstgewissheit auftreten, als hätten sie den Ernstfall persönlich erfunden. Eine grüne Spitzenpolitikerin, frisch aus dem Kokon der moralischen Veredelung, unberührt von Kasernenstaub, aber vertraut mit energetischen Raumbeduftungen, entdeckt plötzlich die Älteren. Nicht als Wähler, nicht als mahnende Stimmen der Erfahrung, sondern als Reservebestand. Als hinterlegte Notfall­konserven. Als Wehrkraftverstärkungs-Variante „Senioren mild“.

Ein Register solle her, heißt es. Ein Verzeichnis jener betagten Bürger, die im Ernstfall „gebraucht“ würden. Man spricht mit jener Zuckerüberzugs-Rhetorik, die politische Härte als Streichelangebot verkleidet. Die Älteren, die jahrzehntelang zuverlässig dafür sorgten, die Heizkosten pünktlich zu überweisen und die Enkel vor der Digitalisierung zu retten, sollen nun auf ihren brachliegenden Fähigkeiten sitzen: kochen, organisieren, technischen Schnickschnack überblicken. Und nebenbei die Republik retten.

Ironischerweise kommt dieser Gedanke, wie könnte es schöner sein, ausgerechnet von einer politischen Richtung, deren Mitglieder traditionell den Wehrdienst gemieden haben wie Gluten im Bio-Bistro. Kaum ein Grüner hat jemals eine Kaserne von innen gesehen, außer vielleicht, weil der Fahrradweg zufällig daran vorbeiführte. Doch aus dieser exquisiten Ferne der Erfahrung entsteht nun eine Vision, die klingt wie das Manifest einer pazifistischen Küchenbrigade: Der alte weiße Mann als Waffe. Nicht biologisch, sondern praktisch, ein Multitool des Alters.

Man stelle sich Rolf vor. Rolf, 68, bis gestern noch der lebende Beweis, dass die Rente nicht zum Stillstand führt, sondern zu einer gewissen generösen Gleichgültigkeit. Nun aber erklärt man ihm, dass er eine Rolle im Verteidigungsgefüge der Nation spielen könnte. Rolf! Der Mann, der bei seinem letzten Versuch, eine E-Mail zu verschicken, beinahe die Filterblase gelöscht hätte. Nun darf er also im Ernstfall Suppe kochen und gleichzeitig, mit zittrigen Fingern, die nationale Drohnenflotte betreuen.

Natürlich freiwillig. Selbstverständlich ohne Druck. Und doch mit jenem feinen Unterton staatlicher Erwartung, der klingt wie ein höfliches, aber unanfechtbares „Du machst das jetzt“.

Die Grünautorenschaft sieht darin offenbar eine Form der Generationengerechtigkeit. Die Jungen sollen schließlich nicht alles allein machen, heißt es. Es braucht die Alten. Gerade sie. Schließlich haben sie „Erfahrung“. Erfahrung worin? Im Verwalten von Lebensläufen, im Abonnieren von Tageszeitungen, im Umrühren von Mengen, die selbst die Bundeswehrkantine erblassen lassen würden. Und selbstverständlich im Überleben, was heute als Qualifikation zählt.

Unterdessen blenden jene Verfechter der neuen Reserve elegant aus, dass die Betroffenen nie für militärische Disziplin vorgesehen waren. Kein Material, keine Marscherfahrung, keine Ahnung. Doch was nicht ist, wird eben herbeiphantasiert. In den Visionen der grünen Strategen laufen Rentner mit Löffeln wie mit Orden herum. Und wer seinen Enkel am Tablet überwacht hat, gilt bereits als drohnenkompatibel.

Man ahnt ein Zukunftsbild, das gleichzeitig rührend und abgründig wirkt: Rolf, in einer Feldküche, die mehr nach Gemeindesaal als nach Mobilmachung aussieht, rührt in einer Suppe, die zum Symbol eines Landes wird, das seinen Nachwuchs erst moralisch bindet und dann militärisch verschiebt. Hinter ihm stapelt Hannelore Akkus wie früher Einmachgläser. Sie versteht die Technik nicht, aber sie hat ein starkes, verlässliches Pflichtgefühl, und das reicht anscheinend aus.

Die Jungen geraten derweil in eine eigentümliche Doppelrolle: Sie sollen kämpfen, aber ganz demokratisch, bitte schön. Während die Alten, deren Opposition zum Militär jahrzehntelang ein verlässliches ideologisches Grundrauschen war, nun ausgerechnet jene Funktionen übernehmen sollen, die das Bild einer modernen Einsatztruppe endgültig ad absurdum führen. Wie eine Nation, die aus Versehen die Rollen vertauscht hat: Die einen rennen mit Waffen, die anderen rühren mit Kellen, und keiner hat das Gefühl, dass das alles noch irgendetwas mit Vernunft zu tun hat.

Dass die Initiatorin, im Einklang mit vielen ihrer Parteikollegen, keinerlei persönliche Erfahrung mit Wehrdienst oder militärischer Dienstpflicht hat, verleiht der Idee jene besondere, scharfkantige Komik. Es ist, als würde ein lebenslanger Vegetarier plötzlich Rezepte für die perfekte Grillhaxe verfassen: theoretisch charmant, praktisch grotesk.

Die politische Botschaft ist klar: Im Ernstfall braucht man alle. Doch dieses „alle“ schimmert in einer Art moralischer Bronze, die kaschieren soll, dass es am Ende doch wieder dieselben Träger sind, die die Last schultern: die Jungen im Dreck, die Alten im Dampf. Und die Politik im warmen Scheinwerferlicht des Wohlklangs.

Das Ganze fühlt sich an wie eine staatlich verordnete Comedy: Ausgerechnet jene, die den Wehrdienst einst am lautesten ablehnten, basteln nun ein Seniorenregister zur nationalen Verteidigung. Eine groteske Revanche der Geschichte. Die alten weißen Männer, so oft gescholten, kehren zurück. Nicht mit Macht, nicht mit Pathos, sondern mit Schürze. Man will fast applaudieren. Oder weinen. Oder beides.

Und wenn der Ernstfall wirklich käme, würde die Republik vielleicht tatsächlich nach Rolf rufen. Nicht, weil seine Suppe unersetzlich wäre, sondern weil die Illusion der Teilhabe so wundervoll klebt. Auf dem Topfdeckel, auf dem Wahlzettel, auf der Idee, dass ein Land wehrhaft wird, indem es seine Senioren moralisch motiviert.

Und während Rolf also kocht, und Hannelore Akkus sortiert, und die Jungen marschieren, steht die Politik daneben und nickt zufrieden. Alles wirkt so ausgewogen, so fair, so gerecht, solange niemand fragt, wer diese Absurdität eigentlich erfunden hat. Und warum ausgerechnet diejenigen, die nie marschiert sind, nun den Ton angeben, wie ein Land sich für den Ernstfall wappnen soll.

Aber tröste dich: Wenn der alte weiße Mann Suppe kochen muss, ist das nicht nur eine Pointe der Geschichte, es ist ihr bitterschwarzer Humor.

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