Berlin als logistische Drehscheibe im Krieg? Schon verloren!

Der neue „Operationsplan Deutschland“ ist ein Dokument von spröder Schönheit: geheim, technisch, ausweichend. Er beantwortet Fragen nicht, er verweist. Er gibt keine Sicherheit, er beschreibt Zuständigkeiten. Und Berlin, das ohnehin schon notorisch chaotische Herz der Republik, ist dabei kein sicherer Hafen, sondern: Durchgangsstation.

Logistische Drehscheibe klingt harmlos. Tatsächlich heißt es: Panzer rollen, Transporte werden durchgeschleust, Brücken werden nicht für Radwege saniert, sondern für Kolonnen. Der Berliner Alltag wird degradiert zum Hintergrundrauschen der Militärlogistik. Die Stadt wird nicht verteidigt, sie wird durchgereicht.

Schutzräume? Fehlanzeige. Das öffentliche Schutzraumkonzept wurde 2007 eingestellt, die Bunker abgebaut. Wer sich im Ernstfall schützen will, muss in die U-Bahn steigen. Dort, wo sonst schon Enge, Husten und grantige Blicke herrschen, soll jetzt also das letzte Refugium entstehen. Improvisation als Überlebensstrategie, Berlin bleibt sich treu, aber diesmal tödlich.

Eigentum? Kann beschlagnahmt werden. Das Gesetz sieht vor, dass Fahrzeuge, Immobilien, ganze Flächen „im Spannungs- oder Verteidigungsfall“ eingezogen werden. Mit Entschädigung, versteht sich. Irgendwann. Auf dem Papier. In der Realität wird dein Altbau in Prenzlauer Berg über Nacht zum „Unterkunftsraum für verbündete Kräfte“. Dein neuer Mitbewohner heißt nicht mehr Thomas, sondern Sergeant Miller.

Krankenhäuser? Schon jetzt überfüllt, sollen sie im Ernstfall zugleich Lazarette für Soldaten sein. Dann entscheidet nicht mehr allein die Medizin, sondern die Logistik: Welcher Patient sichert mehr Einsatzfähigkeit, welcher darf warten? Menschlichkeit wird zur Rechenaufgabe.

Transparenz? Nicht vorgesehen. Der Senat verweist auf den Bund, der Bund verweist auf die Einstufung. Parlamentarische Kontrolle besteht darin, höflich nachzufragen und höflich abgewiesen zu werden. Demokratie in der Light-Version: man darf noch bitten, aber nicht mehr wissen.

Und so gleitet die Gegenwart unbemerkt in die Zukunft: Berlin, Sommer 2032. Die Karl-Marx-Allee ist Kolonnenstraße. Der Fernsehturm sendet Störsignale statt Selfie-Hintergründe. Altbauwohnungen sind Truppenkasernen, das Berghain dient der Verpflegung. Techno läuft noch, aber im Marschtakt. Die U-Bahn ist kein Verkehrsmittel mehr, sondern Notunterkunft; Einlass nur mit Bändchen. Wer früher in der Schlange vor dem Club stand, wartet jetzt auf Wasser und Brot.

Das Parlament? Tagt längst im Umland, während ein „Koordinierungsausschuss für Verteidigungslogistik“ entscheidet, was aus Berlin wird. Niemand weiß, wer darin sitzt. Wahrscheinlich dieselben Leute, die auch den BER geplant haben.

Berlin hat den Krieg also nicht erst im Ernstfall verloren. Berlin verliert ihn schon jetzt: durch den Abbau von Schutzräumen, durch die Umwidmung von Eigentum, durch die Geheimhaltung, durch die Verwandlung einer lebendigen Stadt in einen logistischen Knotenpunkt.

Die Pointe ist bitter: Der Feind muss nicht einmal angreifen. Berlin erledigt den Rest schon selbst.

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