Man stelle sich vor, eine Gesellschaft stünde am Frühstückstisch und verzehre ihre tägliche Portion Informationsmüsli, natürlich angereichert mit einer gehörigen Prise bestätigter Vorurteile und garniert mit dem knusprigen Crunch einer wohligen Gewissheit. In deutschen Landen, so scheint es, serviert uns das mediale Buffet zunehmend nur jene Häppchen, die unsere staatsbürgerliche Verdauung auf Zuckerwatte-Niveau einrasten lassen: süß, fluffig und völlig nährstoffbefreit. Willkommen in der großen, kuscheligen Haltungsblase, die wir so liebevoll „Vierte Gewalt“ nennen – oder, wie deren Eigenbeschreibung lautet: Qualitätsjournalismus.
Der mündige Bürger hat dafür allerdings eine andere Bezeichnung: Hofberichterstattung
Schon seit geraumer Zeit zieht sich ein untrüglicher roter Faden durch die Berichterstattung großer Medienhäuser: konservative Stimmen gelten als „rechtspopulistisch“, kritische Fragen an Regierungshandeln als unbotmäßiges Stochern im eigenen Saft, und wer noch wagt, an Lippenbekenntnissen zu zweifeln, wird postwendend in die Ecke des NATO-statistischen Außenpostens der Unbelehrbaren verbannt. Ein wenig schmeckt das nach jener berühmten „Haltungsjournalistik“, bei der die Haltung die Berichterstattung ruiniert, statt dass die Berichterstattung Haltung formt.
Die Entstehung der Blase: Ein psycho-soziologisches Intermezzo
Wie jede gute Blase ist auch diese zunächst unscheinbar geboren worden. Ein tragfähiges Medienmodell, das auf Recherche, Meinungsvielfalt und Hinterfragen basierte, mutierte über die Jahre hinweg zu einer kollektiven Echo-Kammer. Journalisten, die sich einst dem kritischen Sinne verschrieben hatten, erliegen nun der stillen Verlockung: „Schneller sein als die Konkurrenz? Unbedingt! Aber bitte genügend Regierungszitate vorrätig haben, denn objektiv, kritisch und unbequem kann mein Algorithmus nicht effizient monetarisieren.“
Eingebettet in Redaktionsstuben mit Ticky-Tacky-Boden und hochglanzpolierten Latte-Macchiato-Schalen, betätigt man sich fortan weniger als vierte, sondern eher als fünfte Gewalt, und zwar im Dienste genehmer Spin-Doctors. Die eigene moralische Selbstvergewisserung steigt proportional zur Abnahme echter investigativer Recherche. Gänzlich unbemerkt wird so aus einer kritischen Instanz eine tendenziöse PR-Agentur für Obrigkeitserklärungen.
Der Blasen-Mechanismus: Filter, Reflex und Abwehr
Die Mechanik des Ganzen ist verblüffend simpel, und gerade deshalb ungemein effektiv. Eine Meldung wird in den Filter der gefühlten politischen Korrektheit geworfen. Passt sie nicht ins vorgefertigte Bildregal, wird sie aussortiert, bevor sie überhaupt zur Erwähnung gelangt. Anschließend erfolgt der Reflex: Lobeshymnen auf gängige Regierungserfolge, verbal dargeboten wie der Aperitif vor dem Menü. Schließlich die Abwehr: Kritische Stimmen werden durch geschickte Etikettierung delegitimiert, wer gegen Windmühlen kämpft, ist bekanntlich verrückt, und Verrückte haben in seriösen Medien nichts verloren.
Das Ergebnis? Ein tendenziöser Singsang, in dem kaum Platz für andere, vom erlaubten Mainstream abweichende Meinungen bleibt. Diskussionen verkommen zur plumpen Show, bei der Talk-Gäste nach vorgegebenem Skript ihre Munition abfeuern, bevor sie brav das Studio verlassen. Ein wenig erinnert das Ganze an eine perfekt inszenierte Theateraufführung, bei der der Vorhang bereits vor der Premiere fällt.
Blasen-Allergie: Wie sich Kritik selbst zerredet
Natürlich lassen sich die Kritiker dieser mediengewordenen Selbstvergewisserungsplattform durchaus vernehmen. Doch wehe, sie wagen, die heilige Kuh anzutasten: Schon prasselt der mediale Shitstorm herab, der selbst hartgesottene Zeilenhuren erschauern lässt. „Verschwörungstheoretiker!“, ruft man. Oder „Rechtes Gedankengut!“. Und mit einem wohlfeilen Verweis auf „Faktenchecks“ verabschiedet man sich elegant ins gemachte Bett aus eigenen Worten.
So geschieht es, dass jeglicher Zweifel an offiziellen Narrativen als Sakrileg gilt. Einziger Ausweg scheint die Gründung alternativer Kanäle zu sein, ob im Internet, auf YouTube oder als Podcast. Doch auch hier schwappt das Wasser der Blase zum Teil über. Die vermeintliche Gegenöffentlichkeit entwickelt sich nicht selten zum Gegenstück der etablierten Medien, nur mit umgekehrter Tendenz. Wer sich in diesen Rinnstein traut, braucht schließlich eine eigene Portion Filterblase, um den Standards der Echokammern zu genügen.
Gefährliche Blasen-Ignoranz: Gesellschaft und Demokratie am Abgrund?
Was aber passiert, wenn sich zwei Blasen gegenüberstehen, die einander in ihren Überzeugungen so wenig verstehen wie Sonnenanbeter und Eisbären? Dialog wird zur Chimäre, Kompromiss zur Utopie, und die gemeinsame Grundlage, auf der Öffentlichkeit einst gebaut war, bröckelt ab wie Feinstrukturton in einem Geiger-Zähler. Die Demokratie, gewiss kein Toaster, der mit einem schönen Brötchen schon zufrieden wäre, benötigt Öffentlichkeit als Lebenselixier. Ohne informierte Bürgerschaft keine Meinungsbildung, ohne Meinungsbildung keine politische Debatte, ohne Debatte keine verantwortungsvollen Entscheidungen.
Zudem bergen mediale Filterblasen das Risiko politischer Radikalisierung: Wer sich in einer intellektuellen Sackgasse wähnt, bringt irgendwann eigene Argumente in Stellung, solange, bis sich die Blase selbst zerreißt oder sie zum Knallkörper mutiert, der das gesellschaftliche Klima vergiftet.
Hinaus aus der Blase: Ein Plädoyer für kritischen und investigativen Journalismus
Gibt es also Hoffnung? Gewiss. Doch dazu muss man die rosarote Brille absetzen und sich erneut verpflichten, unbequeme Fragen zu stellen, auch, wenn sie dem geliebten Narrativ ans Bein pinkeln. Journalismus darf kein Handyshop sein, in dem man sich nach Lust und Laune das neueste Meinungsmodell aussucht und den Rest in die Ecke wirft. Er muss die Rohrpost bleiben, durch die alle Stimmen gelangen, vom Krach der Straßenproteste bis hin zu den leisesten Zweifeln im Hinterzimmer.
Es bedarf einer Rückbesinnung auf die unaufgeregte, aber entschiedene Haltung des „Warum?“, des „Wieso?“, des „Wer bezahlt diese Geschichte?“. Nur so kann die vierte Gewalt wieder jene senkrechte Achse werden, die das demokratische Gleichgewicht gewährleistet.
Und weil wir gerade dabei sind, der festen Überzeugung, dass „kritisch“ und „sarkastisch“ sich nicht ausschließen, sei zum Abschluss noch die Frage in den Raum geworfen: Hätten wir all diese bunten Filterblasen tatsächlich nötig, oder reicht nicht ein schlichtes, ungetrübtes Glas klarer Journalistenluft, um atmen zu können? Vielleicht wäre das ja das effektivste Desinfektionsmittel gegen die selbstherrliche Mediokratie unserer Zeit. Plump gesagt: Auflockern, wegbeamen, aufwachen. Denn die Blase platzt bekanntlich am lautlosesten, wenn man rechtzeitig mit der Nadel hineinsticht. Erst dann kann und darf man wieder von „Qualitätsjournalismus‟ sprechen.