Eine satirische Nachlese zur nordrhein-westfälischen Landtagswahl
Es gibt Länder, in denen man aus Wahlen Funken schlägt, Visionen gebiert, einen Aufbruch wagt. Und es gibt Nordrhein-Westfalen. Das Bundesland, das stets ein bisschen so wirkt, als habe man es aus Braunkohle, Autobahnraststätten und dem letzten Rest Kirmesstaub zusammengeknetet, hat gewählt. Gewählt, wie es eben wählt: stoisch, verlässlich, geradezu masochistisch. Und siehe da: Die CDU hat gewonnen. Friedrich Merz, dieser wandelnde Wirtschaftsprüfer in Menschengestalt, reibt sich die Hände und sagt trocken: „Kein Grund, die Regierungspolitik zu ändern.“
Ein Satz wie ein Schlag mit dem nassen Handtuch ins Gesicht. Und NRW antwortet mit einem wohligen Seufzen: „Danke, bitte noch mal.“
Die Lust am Schmerz: Man könnte meinen, dass eine Gesellschaft irgendwann genug hat von Schlaglöchern, Schulruinen und einer Politik, die das Zukunftsversprechen so ernst nimmt wie ein Sonntagswitz. Doch nein: Das Land am Rhein liebt offenbar den Schmerz, aber bitte nicht zu heftig, eher in der gepflegten, konservativen Variante. Ein politischer Spanking-Abend, aber mit ordentlich Bügelfalte in der Hose.
Es ist ein kollektiver Masochismus, der seinesgleichen sucht: Man leidet, man jammert, man seufzt – aber am Ende legt man den Wahlzettel brav in die Urne, so wie andere den Kopf willig auf das Schaffott legen. Nicht aus Zwang, sondern aus tiefer Überzeugung, dass es so sein müsse.
Merz, der Dompteur: Und Friedrich Merz? Er thront wie der Dompteur einer besonders zahmen Truppe: Peitsche in der Hand, aber eigentlich genügt schon ein erhobener Augenbrauenzug. Sein Publikum kennt den Takt, beugt sich vor, streckt die Hinterbacken in die richtige Position und ruft aus: „Noch ein Tritt, bitte! Aber schön kontrolliert, nicht zu progressiv.“
Man stelle sich den inneren Dialog des Wählers vor: „Natürlich könnte ich Grün wählen. Oder SPD. Oder gar etwas, das an Zukunft erinnert. Aber was, wenn das unbequem wird? Was, wenn da plötzlich jemand tatsächlich etwas verändern will? Nein, lieber nicht. Lieber weiter jammern, weiter leiden, weiter in den Arsch getreten werden. Es hat ja auch etwas Heimeliges, fast etwas Romantisches.“
Das Ritual der Wiederholung: Man kennt es: Erst wird gewählt, dann geschimpft. Auf die da oben, auf die da drüben, auf die, die nichts machen, und auf die, die zu viel machen. Dann geht man wieder nach Hause, schaltet die Sportschau ein und freut sich, dass wenigstens der Rasen halbwegs grün ist. Und wenn man das nächste Mal wählen darf, tut man das Gleiche.
Die CDU, das ist für NRW wie eine alte Ehe, aus der man nie herauskommt. Klar, die Leidenschaft ist längst tot, die Möbelstücke sind zerkratzt, die Gespräche repetitiv. Aber trennt man sich? Nein! Man bleibt zusammen, weil die Alternative anstrengender wäre. Und weil man sich insgeheim daran gewöhnt hat, regelmäßig eins übergebraten zu bekommen.
Politischer Stockholm-Syndromismus: Vielleicht ist es gar kein Masochismus, sondern eine Art politisches Stockholm-Syndrom. Man identifiziert sich mit seinem Peiniger. Friedrich Merz als väterliche Figur, die streng, aber gerecht zuschlägt. „Er meint es ja nur gut mit uns“, sagt der Wähler, während er zum wiederholten Male an der Tankstelle verzweifelt.
Oder anders: NRW verhält sich wie ein Hund, der immer wieder zum Besitzer zurückkehrt, auch wenn der ihn tritt. Man kennt den Schmerz, man weiß, wie er schmeckt – und irgendwann verwechselt man ihn mit Zuneigung.
Die Angst vor der Veränderung: Natürlich, es gäbe Alternativen. Parteien, die tatsächlich etwas verändern wollen. Parteien, die über Probleme mit „Zuwanderern‟ reden, über steigende Energiekosten, über die Sicherheit im öffentlichen Raum, über den Verfall der Infrastruktur, über die Schulen, in denen Lehrer längst mehr Sozialarbeiter als Pädagogen sind und viele andere Missstände. Aber Veränderung ist unbequem. Veränderung verlangt Mut.
Und Mut ist bekanntlich das, was in deutschen Wahlkabinen am ehesten auf der Strecke bleibt.
Das deutsche Lustprinzip: Freud hätte seine helle Freude an NRW gehabt: Die Wiederholung des Schmerzes als Lustquelle. „Bitte noch mal!“, ruft das Kollektiv, und Merz liefert. Keine Veränderung, kein Aufbruch, nur das verlässliche Ritual der konservativen Ohrfeige. Das Volk lächelt gequält und nennt es Stabilität.
Schlussakkord: So geht es weiter, Wahl um Wahl, Schlag um Schlag. Die CDU tritt, NRW hält hin, Merz nickt. Und wenn man fragt, warum, dann lautet die Antwort: „Weil wir’s so gewohnt sind.“
Motto dieser Wahl: „Wir wollen weiter in den Arsch getreten werden. Aber bitte sauber, ordentlich und mit Krawatte.“